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Togg statt Tesla: Mit dem T10X starten Erdogans türkische PS-Pioniere ihre Europa-Mission

Togg statt Tesla: Mit dem T10X starten Erdogans türkische PS-Pioniere ihre Europa-Mission
In Europa angekommen: Der Togg T10X findet an der IAA 2025 in München grosse Beachtung.

Aller Anfang ist schwer: Vom ersten türkischen Auto, dem Devrim, gab es 1961 gerade einmal vier Exemplare, und selbst wenn es das Modell Anadol danach auf immerhin rund 80 000 Einheiten gebracht hat, ist das auch schon vierzig Jahre her.

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Seitdem haben sich die Türken zwar als zuverlässige Handlanger für Ford oder Fiat, Renault oder Toyota erwiesen, die in guten Jahren 1,5 Millionen Autos unter fremder Flagge montierten. Doch Staatschef Recep Erdogan war das zu wenig. Deshalb hat er vor gut zehn Jahren einen eigenen, türkischen elektrischen Autohersteller angemahnt und damit als patriotisches Pendant zu Tesla die Türkiye’nin Otomobili Girisim Grubu, oder kurz: Togg, auf den Weg gebracht.

Togg wurde finanziert von industriellen Schwergewichten aus dem Handel, der Telekommunikation, der Elektronik und dem Maschinenbau und geführt vom ehemaligen Bosch-Manager Gürcan Karakas. 2018 gegründet, präsentierte Togg bereits achtzehn Monate später zwei Prototypen. In Gemlik, auf der asiatischen Seite des Bosporus, entstand eine Fabrik für später einmal 175 000 Autos im Jahr. Ende 2022 begann der Hersteller die Produktion des Geländewagens T10X, der mittlerweile durch die Limousine T10F im Stil des VW ID.7 ergänzt wird.

Nachdem der Hersteller in der Türkei die ersten 60 000 Autos auf die Strasse gebracht hat, wagt er jetzt den nächsten Schritt. An der IAA gibt die Marke Togg ihr Debüt in Europa und tritt danach unter anderem auch in Deutschland an.

Langstreckentest zwischen Bosporus und Isar

Um zu testen, was der Togg T10X zu bieten hat, fahren wir ein Auto nach München. Kein Wunder, dass der Zöllner in Edirne an der Grenze zu Bulgarien ebenso stolz wie schwungvoll seinen Stempel auf Pässe und Papiere setzt und uns fröhlich ein «Iyi yolculuklar» (Gute Fahrt) zuruft.

Die Selimiye-Moschee in Edirne ist die letzte Station, bevor der Togg die Türkei verlässt.
Die Reise vom Bosporus bis zur IAA in München führt über Bulgarien, Serbien, Slowenien und Österreich. Zahlreiche Ladestopps sind eingeplant.

Eine Fahrt möglichst ohne Zwischenfälle werden wir brauchen können. Denn von der Messe in München trennen den T10X und uns noch 1700 Kilometer durch sechs Länder.

Mitten in der Rushhour geht es von hier aus erst einmal nach Istanbul und dann in der Nacht auf der spektakulären Brücke Bogaz Köprüsü über den Bosporus, die mit ihrer Beleuchtung selbst die Golden Gate Bridge in den Schatten stellt.

So chaotisch den Gästen der Verkehr in der 16-Millionen-Metropole auch vorkommt, so exotisch die Stadt an der Nahtstelle zwischen Europa und Asien auch wirkt mit ihrem Kontrast aus östlichen Basaren und westlichen Boutiquen, mit engen Gassen und breiten Boulevards, so verführerisch und verstörend sie je nach Uhrzeit und Stadtviertel duftet, so gewöhnlich erscheint hier der Togg.

Längst ist der T10X fest im Strassenbild verankert, und mit seinem eher zurückhaltenden Design gefällt er zwar auf Anhieb, fällt deshalb aber auch kaum auf. Kein Wunder: Als ehemaliger Stilführer in Wolfsburg weiss der Designchef Murat Günak, wie man unauffällige Wagen baut.

Eher von einem Mercedes GLC inspiriert als von den chinesischen Elektro-SUV und mit 4,60 Metern Länge fest in der Mittelklasse verankert, gibt es ihn mit einem oder zwei Bosch-Motoren von jeweils 218 PS, die sich beim Export-Erstling im Zusammenspiel auf 435 PS und 700 Nm summieren.

Das Interieur ist bis auf die digitale Bühne über die gesamte Fahrzeugbreite eher traditionell gestaltet, die Materialauswahl mindestens auf VW-Niveau, nur dass es ein paar Tasten mehr gibt. Die Platzverhältnisse sind grosszügig und der Kofferraum mit 441 bis maximal 1515 Litern mehr als gross genug für diese Tour.

Das Preisniveau ist deutlich tiefer als bei Tesla

Daheim in der Türkei beginnen die Preise für die Basisversion mit 52,4-kWh-Akku für 314 Kilometer Reichweite bei 1,44 Millionen Lira, aus denen die galoppierende Inflation umgerechnet rund 31 000 Euro gemacht hat. Das Topmodell steht für 1,83 Millionen Lira (40 000 Euro) im Netz. Zum Vergleich: Der Fiat Egea, der in der Türkei seit Jahren an der Spitze der Zulassungen steht, ist ab 1,1 Millionen Lira oder 23 570 Euro zu haben und ein Tesla Model Y für 2 241 000 Lira oder 47 200 Euro.

Zwar will Togg noch nicht verraten, wie die Preise in Westeuropa aussehen, auch wie der Vertrieb laufen soll, bleibt vorerst das Geheimnis des Herstellers. Doch die Entscheidung für den Export ist gefallen, sagt der Firmenchef Karakas.

In der Türkei kommt man problemlos voran. Erstens hat der T10X in den gehobenen Varianten einen Akku von 88,5 kWh, der bei Heckantrieb für 523 und in unserem Allradler im Normzyklus für 468 Kilometer reicht – im Alltag sind es allerdings selten mehr als 350. Und zweitens hat Togg nach dem Vorbild Teslas im ganzen Land sein eigenes Ladenetz aufgebaut.

Im Togg ist die Türkei allgegenwärtig, auch auf dem Weg durch osteuropäische Länder.

Noch ist die Zahl der E-Autos in der Türkei mit 290 000 Stromern noch vergleichsweise niedrig, und so findet man an den 1000 Säulen bislang noch immer Anschluss. Und zwar mit bis zu 180 Kilowatt, womit der Togg die ID-Modelle von VW genauso übertrumpft wie die E-Autos von Renault oder des Stellantis-Konzerns. Wir sind gespannt, wie die Ladestopps jenseits der Grenze auf dem Weg über den Balkan funktionieren. Zehn weitere Ladestopps hat uns die schlaue Navigation für die restliche Strecke nach München noch eingeplant.

Schnell verfällt man auf dieser Tour in die übliche Roadtrip-Routine: Fahren, Laden, Landschaften geniessen, Leute kennenlernen, Frühstück und Abendessen suchen und am besten weit draussen Quartier machen. Zwischendurch ein kurzer Stadtbummel in Sofia, Stempeln an der Grenze, und Bulgarien ist abgehakt. Dann taucht rechts bald die Donau auf und weist den Weg durch Serbien, wo in Belgrad der nächste Stopp auf dem Plan steht.

Zwischenstopp an der Alexander-Newski-Kathedrale in Sofia.
Am Ethnografie-Museum in Plowdiw zeigt der T10X seine Kletterfähigkeiten.

Bei diesem Cityhopping lernt man den Togg als komfortables Langstreckenauto kennen, das entspannt abgestimmt ist und lässig dahingleitet. Dort, wo das Strassennetz dünn und dürftig wird, hilft der Allradantrieb. Auf den einsamen Passstrassen zeigt der Togg Sprinterqualitäten, und all die digitalen Dienste funktionieren erfreulicherweise auch ausserhalb der Türkei.

Zwar füllt sich der Ordner mit den Ladeapps auf dem Handy Tag für Tag weiter, weil nicht jeder so grosszügig ist wie das Stahlwerk Smederevo, der einstige «Stolz Serbiens», das seine 200-kW-Säule einfach für jedermann gratis freischaltet. Doch ist die Stromversorgung auch in Bulgarien oder Kroatien kein Problem. Nur die riesige rote Flagge mit Halbmond und Stern, die auf Knopfdruck über fast die gesamte Fahrzeugbreite durchs Cockpit flimmert, schaltet nicht auf die anderen Länder um.

Während die Route tagsüber meist über die Landstrasse führt, wechseln wir nach der Dämmerung auf die Autobahn und kommen etwas schneller voran. Zwar nicht mit den 185 km/h, die Togg als Höchstgeschwindigkeit angibt. Aber ein bisschen Tempo braucht man schon, wenn man in drei Tagen über den Balkan fahren will.

Das Entertainment-Angebot sucht seinesgleichen

Langeweile kommt selbst auf der zu dröger Monotonie modernisierten Autobahn nicht auf. Die Türken haben ein Infotainment programmiert, von dem selbst die Chinesen noch lernen können: Gleich vier riesige Bildschirme sind im Armaturenbrett platziert, die zu einer durchgehenden Digitalkonsole verschmelzen und genügend Unterhaltung für die längste Langstrecke bieten: Video-, TV- oder Musik-Streaming von zahlreichen Anbietern verkürzt die Reisezeit und funktioniert – sogar während der Fahrt.

Die künstliche Intelligenz zaubert Dutzende digitale Kunstwerke aus den unterschiedlichsten Genres auf die Screens, ein AI-Radio programmiert aus 2000 Tracks jedem Togg-Kunden seinen ganz individuellen Soundtrack. Wem selbst das nicht genügt, der macht den Beifahrer mit einer eingebauten Disco-Maschine zum DJ. Dazu gibt es eine Vielzahl an Computerspielen und eine Selfie-Cam, die aus den Insassen Avatare macht, Filmstars oder Zeichentrick-Charaktere.

Ähnlich wie Vielflieger-Programme, hat Togg zudem ein eigenes Ökosystem geschaffen, mit dem man «Toggen» sammeln und ausgeben kann – beim Laden genauso wie bei Turkish Airlines, im Online-Handel oder beim Finanzamt.

Unsere Route führt auf dem Weg nach München durch Städte wie Zagreb oder Ljubljana und durch Landschaften wie das Gorjanci-Gebirge zwischen Kroatien und Slowenien. Die Alpen bezwingt der Togg auf der Rossfeld-Panoramastrasse, weiter geht es über die Grüne Grenze nach Deutschland.

Doch auch hier wird streng kontrolliert: Wie schon drei Tage zuvor an der türkischen Aussengrenze pendelt der Blick der Beamten streng zwischen Fahrer und Auto hin und her. Nur dass die Vorzeichen diesmal umgekehrt sind. Deutsche Pässe kennen die Zollbeamten, aber türkische Kennzeichen kommen ihnen nicht alle Tage unter, und den Togg sieht man hier zum ersten Mal.

Die Alpen sind auch auf der Rossfeld-Panoramastrasse für einen Togg T10X kein Hindernis.
Am Münchener Siegestor angekommen, ist es bis zur IAA nicht mehr weit.

Die Testfahrt wurde durch Togg unterstützt.

nzz.ch

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