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IAA: Darum ist China für den deutschen Automarkt keine Gefahr

IAA: Darum ist China für den deutschen Automarkt keine Gefahr

Auf der Automesse IAA in München präsentieren sich chinesische Autobauer so selbstbewusst wie noch nie. Chinesische Wagen sind in Deutschland sicher ein Thema, aber keine Bedrohung.

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Vor den Ständen von BYD und XPeng bilden sich Menschentrauben, genauso wie vor den deutschen Klassikern BMW, Mercedes und Volkswagen. Das Publikum will sehen, fühlen und vergleichen. Die Botschaft der Chinesen: Wir sind da. Die Botschaft der Deutschen: Und wir bleiben. So erlebt die IAA, die im Jahr 1897 gestartet ist, den Sturm der chinesischen Weltwirtschaftsmacht und die Verteidigung der Autonation Deutschland.

BYD: Der größte chinesische Autohersteller hat die größte verfügbare Bühne der Messe für seinen Auftritt gebucht. Ausdruck des neuen Selbstbewusstseins von Chinas Autobauern. Hunderte Besucher sind gekommen, um der ranghöchsten Vertreterin von BYD, der 55-jährigen Executive Vice President Stella Li, zuzuhören.

Im Zwiegespräch zeigt sich die ehemalige Stellantis-Managerin und heutige BYD-Europachefin, die 47-jährige Italienerin Maria Grazia Davino, kampfeslustig: "Ich sehe eine große Vielfalt, die bereichernd und inspirierend ist – und genau das brauchen wir, um den Wettbewerb anzukurbeln. Wir lieben den Wettbewerb, wir lieben Herausforderungen."

Mercedes: Am Stand der Stuttgarter begutachtet das Publikum den neuen elektrischen CLA. Auf dem schnittigen Coupé ruhen die Hoffnungen des Konzerns. Ein ehemaliger Daimler-Manager steht davor. Er sei unschlüssig, mit einem einzelnen Modell würde man nicht die Kurve kriegen, sagt er nachdenklich.

Fakt ist: Mercedes-Benz hat im zweiten Quartal weltweit neun Prozent weniger Fahrzeuge verkauft. Besonders der chinesische Absatzmarkt schwächelt.

Volkswagen: CEO Oliver Blume präsentiert mehrere E-Einstiegsmodelle und gibt sich optimistisch: "Jedes Jahr wollen wir mehrere Hunderttausend elektrische Kleinwagen verkaufen. Der Markt wird viermal so groß wie heute. "Blume hat derzeit Rückenwind bei den Absatzzahlen: „VW ist Marktführer in Europa: Vier der fünf meistverkauften Stromer kommen vom VW-Konzern.“

Der beliebteste Stromer ist die Mittelklasse-Limousine ID.7, mit knapp 21000 Neuzulassungen in Deutschland in den ersten sieben Monaten des Jahres.

Direkt daneben inszeniert sich XPeng – zugleich Kooperationspartner und Konkurrent von Volkswagen. Gründer He Xiaopeng spricht auf Chinesisch, ein Zeichen von Stolz, manche nennen es Arroganz. In der Luft hängt ein Flugtaxi, auf der Bühne stehen humanoide Roboter und autonome Fahrzeuge. Die Botschaft: Wir können mehr als Auto. Wir sind die Zukunft.

Der CEO sagt großspurig: "Für Xiaopeng ist das Ergebnis von elf Jahren KI-Entwicklung bereits heute sichtbar. Aber unser eigentliches Ziel ist: Wir wollen diese Fortschritte auch nach Europa bringen."

Zur Wahrheit gehört: Chinesische Autobauer zahlen viel Geld für die EU-Zulassung, verkaufen dann aber nur ein paar Tausend Fahrzeuge.

Bisher sind die chinesischen Autos zu Hause Stars und bedeuten in Europa eher einen Hoffnungswert. Fünf Probleme sind unübersehbar:

1. Marktanteil minimal: In Deutschland erreichen die Chinesen zusammen weniger als zwei Prozent Marktanteil aller verkauften Autos. Die große Welle findet medial statt, nicht auf den Straßen. Nur bei reinen Elektroautos ist der Marktanteil größer: Immerhin fünf Prozent aller verkauften E-Autos sind chinesisch. BYD kommt in Europa auf 1,7 Prozent Marktanteil bei den verkauften Autos, in Deutschland werden nur 0,4 Prozent erreicht.

Zum Vergleich: In China dominieren die lokalen Automarken den heimischen Markt. Bis Juli 2025 wurden rund 69 Prozent der Fahrzeugauslieferungen von chinesischen Herstellern abgedeckt – gegenüber nur 36 Prozent vor fünf Jahren.

In Europa spielen die Chinesen derzeit eine untergeordnete Rolle mit Ausnahme von MG, dem einstigen britischen Roadster-Klassiker, der sich seit 2005 in chinesischer Hand befindet. Allerdings nehmen die chinesischen Marken an Fahrt auf, mit über 60.000 verkauften Einheiten pro Monat. Anfang 2023 waren es erst knapp 18.000.

Zum Vergleich: Der Volkswagen-Konzern verkaufte in Europa im ersten Halbjahr 2025 etwa 1,9 Millionen Fahrzeuge, was einem durchschnittlichen monatlichen Verkauf von rund 320.000 Autos entspricht.

2. Imageproblem: Noch spielen VW, Audi und BMW, gar nicht zu reden von Porsche und Mercedes, in einer anderen Klasse. Nur einer von zehn europäischen Konsumenten würde sich für ein chinesisches Auto als nächstes Fahrzeug entscheiden. Das ergibt die jüngste Erhebung der Managementberatung Horváth.

Deutsche Käufer sind besonders skeptisch: Sie kennen die Marken nicht, fürchten Daten- und Qualitätsprobleme, wie die Studie von Horváth zeigt.

3. Preisvorteil: Europas Neuwagenkäufer finden chinesische Autos noch zu teuer, zeigt eine Umfrage der Unternehmensberatung Escalant. Aktuell liegen die Grundpreise der Fahrzeuge aus Fernost auf einem ähnlichen Niveau wie bei etablierten westlichen Wettbewerbern – wenn auch häufig bei besserer Ausstattung.

Obwohl Chinas Autobauer die Autos günstiger anbieten könnten, zum Beispiel weil die Arbeitskosten in China nur ein Zehntel betragen, setzen sie derzeit weiter oben an. Autobauer wie Nio wollen als gleichwertig wahrgenommen werden.

Dazu kommt: Die Chinesen können die Preisvorteile, die sie in China bei den Elektroautos haben, hierzulande aufgrund von Frachtkosten und Zöllen nicht so stark ausspielen. Allein auf die Einfuhr eines BYD nach Europa entfallen Strafzölle von knapp 30 Prozent. Dazu kommen Frachtkosten von bis zu 2000 Euro pro Fahrzeug.

4. Finanzieller Drahtseilakt: Viele chinesische Marken machen Verluste. BYD schreibt schwarze Zahlen nur dank Verbrennern und Batterien in China. Für viele Player ist Europa derzeit eher eine Marketing-Story als ein Geschäft. Sie verkaufen nicht in erster Linie Autos, sondern eine Wachstumsgeschichte. Ihre Zielgruppe sind die Investoren am Weltkapitalmarkt.

5. Händlernetz als Stolperstein: Chinesische Hersteller verstehen das deutsche Vertriebssystem nicht. Händler fordern zweistellige Margen, gewöhnt sind die Chinesen einstellige. Das führt zu Misstrauen, zögerlichen Partnerschaften und geringen Stückzahlen. So sprechen unterschiedlichste Händler auf der IAA über die chinesischen Anbieter.

Bei einer Händlertagung hat BYD-Managerin Stella Li das Ziel von 50.000 Verkäufen in Deutschland im Jahr 2025 ausgegeben. Das Ziel ist mehr als ambitioniert. Von Januar bis August dieses Jahres schaffte BYD in Deutschland 8563 Neuzulassungen.

Fazit: China ist auf dem deutschen Automarkt ein Thema, aber keine Bedrohung. Die hiesigen Hersteller sollten wachsam, aber nicht panisch sein. Die Tatsache, dass Kanzler Friedrich Merz bei seinem IAA-Rundgang keinen einzigen chinesischen Hersteller besuchte, wirkte vor diesem Hintergrund nicht klug, sondern klein. Das war nicht weltoffen, sondern provinziell.

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