Polestar 5: gediegenes Reisecoupé für eilige E-Auto-Fahrer


Angelika Warmuth / Reuters
Polestar, einst eine Tuning- und Rennsportabteilung von Volvo, fährt immer mehr auf eigenen Wegen. Beide gehören zum chinesischen Geely-Konzern, aber mit dem neuen viertürigen Coupé will Polestar sich endgültig von der anderen Schweden-Marke entfernen.
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Der Polestar 5, der an der IAA in München seine Weltpremiere feiert, ist anders als alle Volvo-Modelle. Die Form der 5,09 Meter langen Reiselimousine erinnert sowohl an das elektrische SUV-Coupé Polestar 4 als auch an den ersten Wagen der Marke, den als Plug-in-Hybridauto konzipierten Polestar 1. Als Vorbild diente das Konzeptauto Precept von 2020, von dem der Polestar 5 sich nur geringfügig unterscheidet.
Die Silhouette der Limousine zeigt eine flache Frontscheibe und eine Dachlinie, die in einem Radius bis zum Heck führt. Die Scheinwerfer bestehen je aus zwei Winkeln, wie man sie bereits von den Modellen 3 und 4 kennt. Wie Letzterer hat auch der Polestar 5 keine Heckscheibe, aber ein Glasdach, das sich bis zu den Rücksitzen erstreckt.
Entsprechend licht und luftig wirkt das Interieur. Dank einem langen Radstand von drei Metern gibt es viel Platz auf den Vordersitzen und den beiden Einzelsitzen im Fond. Ein dritter Rücksitz lässt sich durch Hochklappen der hinteren Mittelkonsole gewinnen, allerdings reicht dessen Komfort nur für kurze Strecken.
Wenn der Spiegel zum Kamerabild wirdFür vier Personen ist die Fahrt sehr komfortabel. Dank guter Schalldämmung und einem Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern wird das Reisen zum entspannten Vergnügen. Und da die Antriebsbatterie zwar im Unterboden verbaut ist, aber im Bereich der hinteren Sitze Aussparungen aufweist, ist der Sitzkomfort dank grosszügigen Mulden für die Füsse gut.
Trotz fehlendem Heckfenster ist die Fahrt auch für die Person am Steuer angenehm. Im Polestar 4 ist der Rückspiegel nur ein Screen, der Live-Bilder von der Rückfahrkamera zeigt. Wer jedoch weitsichtig ist oder über eine Gleitsichtbrille verfügt, hat wenig davon. Zudem sind die Bilder zweidimensional, es wird dadurch schwierig, Distanzen nach hinten richtig einzuschätzen.
In der neuen Limousine ist das Problem entschärft. Zwar ist der Rückspiegel auch hier ein Bildschirm. Durch die flache Frontscheibe und die tiefere Position des Screens aber nimmt der Fahrer auch ohne Lesebrille ein recht scharfes Bild wahr.
Der Polestar 5 ist zwar eine luxuriöse Reiselimousine, setzt aber konsequent auf Batterieantrieb. Zwei Versionen stehen zur Verfügung, beide mit je zwei Elektromotoren, Allradantrieb und einem gross dimensionierten Akku mit 106 kWh nutzbarer Kapazität.
Um ein rasches Zwischenladen der Batterie auf längeren Fahrten zu ermöglichen, verfügt der Polestar 5 über ein 800-Volt-Bordnetz und eine maximale Ladeleistung von 350 Kilowatt. Ein Nachladen von 10 Prozent Batterieladestand auf 80 Prozent erfolgt so bei Idealbedingungen innerhalb von 22 Minuten.
Erste Testfahrten im Polestar 5 auf dem grossen Erprobungszentrum Millbrook in England zeigen, was der rund 2,5 Tonnen schwere Stromer kann. Ist er bei gemächlicher Fahrt eine Reiselimousine hoher Qualität, wandelt sich der zur Verfügung stehende Wagen mit Performance-Paket zum hochsportlichen Tourenwagen.
Er verfügt über ein Fahrwerk mit doppelten Querlenkern, wie sie sonst nur bei Rennwagen oder noch bei Supersportwagen von Lotus oder Lamborghini zu finden sind. Damit sind Kurvenfahrten in hohem Tempo und guter Präzision möglich. Einen wichtigen Beitrag leistet dabei die Lenkung, die selbst bei höher eingestellter Leichtgängigkeit und schneller Fahrt noch immer angenehm ist.
Eine Hinterradlenkung, die mehr Wendigkeit und Kurvenstabilität bringen würde, gibt es beim Polestar 5 nicht. «Wir brauchen sie gar nicht», ist die lakonische Antwort von Steve Swift, dem britischen Leiter der Fahrzeugentwicklung bei Polestar. Nach rund zehn Runden auf der Bergrundstrecke in Millbrook ist dies nachvollziehbar.
Für grossen Fahrspass ist im kurvigen Gelände mit vielen Bergauf- und Bergabpassagen gesorgt, und das selbst im Normalmodus. Zwar gibt es Situationen, in denen das Fahrstabilitätsprogramm mit Temporeduktion eingreift. Doch schaltet man um auf ESP Sport und das Fahrprogramm «Nimble», zeigt sich der Wagen so dynamisch, dass er sich wohl auch auf der Nürburgring-Nordschleife adäquat bewegen liesse.
Die vom italienischen Hersteller Brembo gelieferte Bremsanlage arbeitet ausgezeichnet dosierbar und mit gutem Druckpunkt. Bei den auf gerader Strecke getesteten Vollbremsungen bleibt der Polestar 5 im Zusammenspiel mit den Michelin-Sportreifen sehr stabil. Serienmässig sind die Räder 21 Zoll gross, optional gibt es 22-Zoll-Räder.
Wie bei Elektroautos mit mehr als 1000 Newtonmeter Drehmoment zu erwarten ist, zeigt sich der Polestar 5 sprintstark und souverän. Der Elektromotor an der Vorderachse stammt vom Zulieferer Bosch, die hintere E-Maschine hat Polestar selbst entwickelt. Dies geschieht bei Polestar in Grossbritannien, genau wie beim Fahrwerk. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Die Polestar-Ingenieure haben eine Beschleunigung aus dem Stand auf 100 km/h in 2,9 Sekunden gemessen. Dies lässt sich im Test mehrfach nachvollziehen, wenn man der Anzeige des Bordcomputers vertraut. Auf der Hochgeschwindigkeitsrunde mit Steilkurven zeigt sich eine hohe Spurtreue bei geringen Windgeräuschen.
2026 werden die ersten Fahrzeuge des Polestar 5 ausgeliefert. Zur Wahl stehen der 748 PS starke Allradler ab 115 000 Franken oder die Topversion Performance mit 884 PS ab 135 000 Franken. Der Porsche Taycan Turbo mit ebenfalls 884 PS ist erst ab 198 000 Franken zu haben.
Die Testfahrten wurden durch Polestar unterstützt.
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