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Kabeldiebe bremsen E-Mobilität: Kupferjagd an Stromtankstellen ufert aus

Kabeldiebe bremsen E-Mobilität: Kupferjagd an Stromtankstellen ufert aus

Die dicken Ladekabel werden ganz oben abgetrennt, damit die Diebe maximale Ausbeute erzielen.

(Foto: sp-x/Mario Hommen)

Kabelklau ist nicht nur ein Problem bei der Bahn: Mit Flex und Bolzenschneider entreißen Diebe immer häufiger auch Schnellladesäulen ihre Lebensadern. Der Schaden geht längst in die Millionen Euro und trifft die Elektromobilität ins Mark.

Wer sein Elektroauto an einer gewohnten Schnellladesäule aufladen will, kann inzwischen immer öfter eine böse Überraschung erleben: Statt unter Strom stehen die Hypercharger plötzlich nackt und funktionslos da. Mit Akku-Flex oder Bolzenschneider bewaffnete Diebe machen Jagd auf die dicken Kupferkabel, deren Materialwert lockt. Im August traf es auf dem Parkplatz eines großen Baumarkts in Bremen zwei Hypercharger, die die EnBW vor wenigen Jahren aufgestellt hatte.

Für den Betreiber bedeutet dieses grassierende Problem teure Reparaturen, für Autofahrer bedeutet es Ärger und Umwege. Und schließlich trägt die Elektromobilität einen Imageschaden davon, während ihre Kritiker sich in ihrer Meinung bestätigt sehen, die neue Antriebsart sei noch nicht ausgereift.

Reiner Materialwert nur gering

Ladesäule mit gekappten Kabeln.

Ladesäule mit gekappten Kabeln.

(Foto: sp-x/Mario Hommen)

Was die dreisten Diebe treibt? "Wir beteiligen uns grundsätzlich nicht an Spekulationen, ob es Diebstahl oder Vandalismus ist. Dennoch gehen wir davon aus, dass das in den Kabeln verbaute Kupfer Grund für den Diebstahl ist. Den reinen Materialwert eines Kabels würden wir mit rund 60 Euro bis 80 Euro als gering einschätzen", sagt eine Sprecherin von EnBW auf Anfrage. Derzeit ist EnBW der größte Betreiber von Schnellladesäulen in Deutschland und verzeichnet eigenen Angaben zufolge seit geraumer Zeit, speziell aber seit 2024, eine erhebliche Zunahme an Kabeldiebstählen.

Auch EWE Go, der viertgrößte Betreiber von Schnellladesäulen hinter EnBW, E.ON und Tesla, bestätigt diesen Trend. Wie eine Sprecherin des Unternehmens mitteilte, sei die Anzahl der Kabeldiebstähle im Jahr 2025 (Stand August) wie bei den Wettbewerbern gestiegen. EWE Go betreibt bundesweit ein großes Netz mit mehreren tausend Ladepunkten. Fälle von Kabelklau habe das in Oldenburg ansässige Unternehmen vor allem in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt registriert. Auch EnBW nennt Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen als regionale Schwerpunkte des Kabelklaus.

An einer zweiten 300-kW-Säule wurde nur ein Kabel abgetrennt. Dennoch ist die Säule außer Betrieb.

An einer zweiten 300-kW-Säule wurde nur ein Kabel abgetrennt. Dennoch ist die Säule außer Betrieb.

(Foto: sp-x/Mario Hommen)

Das Vorgehen der Diebe scheint angesichts des geringen Materialwerts schwer nachvollziehbar. Umgerechnet auf den aktuellen Börsenpreis kostet ein Kilogramm Kupfer zwischen 8 und 10 Euro. Ein HPC-Kabel kann zwischen vier und acht Kilogramm Kupfer enthalten. Für ein gestohlenes Kabel erhält ein Dieb beim Schrotthändler also nur einen Bruchteil des Neupreises, der bei mehreren Hundert Euro liegt. Selbst wenn es organisierten Banden gelingt, in kurzer Zeit viele Kabel zusammenzutragen, kann man damit nicht reich werden.

Diebestouren zeitaufwendig und riskant

Dabei sind die nächtlichen Diebestouren mit Auto und Werkzeug nicht nur zeitaufwendig, sondern auch riskant. Im Frühjahr wurde in Rom beispielsweise ein Trio auf frischer Tat ertappt, weil eine Kamera das Nummernschild des Transportfahrzeugs registriert hatte. Die Polizei brauchte nur wenige Stunden, um den Wagen ausfindig zu machen, der mit 16 HPC-Kabeln beladen war. EWE Go berichtet, dass man bei Fällen von Kabelklau eng mit den örtlichen Behörden zusammenarbeitet, die einige dieser Fälle zurückverfolgen und aufklären konnten.

Ein Text auf dem Bildschirm der Ladesäule rät dem Stromsuchenden, nach einer Alternative zu suchen.

Ein Text auf dem Bildschirm der Ladesäule rät dem Stromsuchenden, nach einer Alternative zu suchen.

(Foto: sp-x/Mario Hommen)

Angesichts des geringen Materialwerts von Kupfer könnte man dieses Phänomen fast schon als Kleinkriminalität bezeichnen. Wer dabei erwischt wird, muss allerdings mit hohen Strafen rechnen. Juristisch kann der Kabelklau weit schwerer wiegen, als es der zu erzielende Materialwert nahelegen würde. Das liegt auch daran, dass Ladestationen als Teil der öffentlichen Versorgung gelten und somit mehr sind als bloße Wertgegenstände: Sie sichern Mobilität und werden zunehmend auch als Teil der kritischen Infrastruktur betrachtet. Wer Kabel entfernt und damit Anlagen beschädigt, begeht also mehr als nur einen Diebstahl mit geringem Wert, sondern stört zugleich in drastischer Weise den Betrieb einer Einrichtung mit öffentlichem Nutzen.

Der von Richtern zugrunde gelegte Strafrahmen kann es deshalb in sich haben, wie ein in diesem Jahr erstinstanzlich gefälltes, aber noch nicht rechtskräftiges Urteil zeigt. Einem Mann, dem eine Serie von Kabeldiebstählen aus dem Jahr 2024 in Leipzig und Umgebung zur Last gelegt wird, wurde zunächst vom zuständigen Amtsgericht eine Haftstrafe von 20 Monaten auferlegt. Gegen das Urteil wurde allerdings Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren und damit das endgültige Strafmaß stehen also noch aus.

Erlöse stehen in keinem Verhältnis zum großen Schaden

Ärgerlich am Kabelklau ist, dass die Erlöse durch den Verkauf des Kupfers in keinem Verhältnis zum finanziellen Schaden stehen. EWE Go nennt eine Schadenshöhe von mehreren Tausend Euro pro Kabel, denn zusätzlich zum neuen Kabel fallen vor allem für Instandsetzung und Inbetriebnahme weitere Kosten an.

EnBW beziffert die Schadenssumme pro Kabel auf 5000 bis 8000 Euro. Das Unternehmen erwähnt außerdem die für die Wiederinbetriebnahme zwingend vorgeschriebene Eichrechtsprüfung sowie Umsatzverluste für die Zeit, in der die Ladestation nicht genutzt werden kann.

Engpässen bei Ersatzkabeln

Die Nichtnutzung kann sich übrigens mittlerweile hinziehen. Laut EnBW soll eine durch Kabelklau betroffene Ladesäule normalerweise nach ein bis zwei Wochen wieder ans Netz gehen. Aktuell lässt sich dieser Zeitrahmen jedoch nicht mehr einhalten. Die vom eingangs erwähnten Kabelklau auf dem Baumarktparkplatz betroffenen Ladesäulen sind selbst sechs Wochen nach der Tat noch nicht betriebsbereit. Hierbei dürfte auch die in diesem Jahr stark gestiegene Zahl der Fälle eine Rolle spielen.

Die Ladesäulenbetreiber sind bei Reparaturmaßnahmen von den Herstellern der Ladestationen abhängig. Laut einem Bericht des Online-Magazins Golem.de sind diese derzeit mit einer nie dagewesenen Häufung von Kabeldiebstählen konfrontiert und haben mittlerweile unter anderem mit Engpässen bei Ersatzkabeln zu kämpfen.

Der volkswirtschaftliche Schaden durch den Kabelklau in Deutschland erreicht mittlerweile erschreckende Dimensionen. Allein EnBW hat in diesem Jahr bereits mehrere Hundert Kabel verloren, was sich für den Marktführer zu Millionenbeträgen aufsummiert. Hinzu kommt der Schaden für die E-Mobilität. Die wachsende Zahl an Ausfällen dürfte das Vertrauen der E-Fahrer in die Infrastruktur untergraben.

E-Auto-Skeptiker werden bestätigt

Auch Medienberichte über eine Häufung von Kabelklau werden Skeptiker darin bestätigen, dass die E-Mobilität noch nicht ausgereift ist und bei potenziellen E-Autokäufern neue Hemmnisse erzeugen. Außerdem gehen Geld und Ressourcen für den Ausbau der Ladeinfrastruktur verloren, da verstärkt in Reparaturen und zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen investiert werden muss.

Laut EnBW werden die Sicherheitsstandards in enger Abstimmung mit Ladesäulenherstellern wie Alpitronic laufend weiterentwickelt. Aktuell setzt man auf helle Beleuchtung und, wo möglich, auf Videoüberwachung. Zudem wird jeder Diebstahl angezeigt. Auch EWE Go arbeitet eng mit Behörden zusammen und nutzt Kameratechnik. Doch der Anbieter aus Oldenburg räumt auch ein: "Einen 100-prozentigen Schutz vor Kabeldiebstahl gibt es leider nicht." Selbst armierte Kabel lassen sich mit leistungsstarken Winkelschleifern in wenigen Minuten durchtrennen.

Ironie der Geschichte: Die Lithium-Revolution in der Batterietechnik, die unter anderem die E-Mobilität ins Rollen gebracht hat, gibt Dieben auch leistungsstarke Werkzeuge für das Durchtrennen der Ladekabel in die Hand.

Quelle: ntv.de, Mario Hommen, sp-x

n-tv.de

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