Gebrauchtwagenvergleich: B-Klasse gegen Touran: Nur ein Kriterium ist mehr als Geschmacksache

Der VW Touran , in zweiter Generation 2015 auf den Markt gekommen, darf sich noch immer als Neuwagen behaupten, während die 2011 eingeführte B-Klasse der zweiten Generation im Jahr 2018 abgelöst wurde. Schon zu diesen Zeiten waren die beiden Konkurrenten, heute stehen sie hoch in der Gunst der Gebrauchtkäufer mit gehobenem Platzbedarf. Wo einst sehr erfolgreiche Volumenmodelle wie der Renault Scénic, der Ford C-Max oder (etwas kleiner) der Opel Meriva zu Wahl standen, sind die meisten Kompaktvans im SUV-Boom untergegangen. Schön, dass es aus Stuttgart und Wolfsburg also noch eine gewisse Auswahl gibt, die sich auch charakterlich recht deutlich unterscheidet.
Da wäre der VW, nordisch und zweckmäßig getreu dem Motto "quadratisch, praktisch, gut" und die B-Klasse, die eine gute Portion Edelflausch mit enormer Effizienz verbindet und dafür nicht jeden Quadratzentimeter ausnutzt. In der Form ließe sie sich übrigens auch mit dem 2020 eingestellten VW Golf Sportsvan (vormals Golf Plus) vergleichen. Mit ihm hat die B-Klasse auch einen typischen Käuferkreis gemein, der besonders großen Wert auf die hohe Sitzposition legt. Und so unterscheiden sich trotz aller Praxisvorzüge Touran und B-Klasse ein wenig im Image. Wer nun aber denkt, dass der VW die praktische Vernunftlösung ist und der Benz eher zum Wohlstand neigt, könnte sich irren.
Wer sich traut, auch mal gegen den Trend der allgegenwärtigen SUV-Flut anzuschwimmen, entdeckt in der Mercedes B-Klasse der zweiten Generation, intern W246 genannt, einen echten Gebrauchtwagen-Geheimtipp. Sie vereint die kompakten Außenmaße eines typischen Kompaktwagens mit einem bemerkenswerten Raumangebot, das in seinen Dimensionen sogar dem legendären Ladevolumen einer Mercedes E-Klasse T-Modell auf die Pelle rückt. Ihre Silhouette, die an einen Kofferfisch erinnert, ist nicht nur eigenwillig, sondern auch aerodynamisch äußerst effizient, was ihr einen beeindruckenden cW-Wert von 0,26 beschert. Dies trägt maßgeblich dazu bei, dass die B-Klasse im Alltag sparsam mit Sprit umgeht.
Dieser, sagen wir mal, "eigenwillige" Nimbus des Vans hat einen entscheidenden Vorteil auf dem Gebrauchtwagenmarkt: Er sorgt für erstaunlich erschwingliche Preise. Und das, obwohl der W246 die Kinderkrankheiten seines Vorgängers, des T245, hinter sich gelassen hat. Die erste B-Klasse kämpfte noch mit Rostproblemen an den Kanten, die auf eine bakterielle Verunreinigung im Rostschutz-Tauchbad zurückzuführen waren, und besaß ein technisch anfälliges Stufenlos-Automatikgetriebe. All diese Probleme gehören beim W246 erfreulicherweise der Vergangenheit an. Im Gegensatz dazu weist sogar die aktuelle B-Klasse (W247) teils noch ein recht hohes Preisniveau auf und nervt hin und wieder mit Dröhngeräuschen ab Landstraßentempo und rüpelhaften Bremseingriffen des Spurhalteassistenten. Die von uns empfohlene Generation W246 ist also die klar bessere Wahl – zumindest im vernunftorientierten Gebraucht-Van-Segment.
Die Stärken der B-Klasse liegen klar im pragmatischen Nutzen und dem spürbaren Mercedes-Premium-Gefühl. Das Raumkonzept ist brillant durchdacht: Die Rücksitze sind nicht nur einfach umklappbar, sondern lassen sich auch in der Lehnenneigung verstellen und zweigeteilt verschieben. Eine klappbare Beifahrersitzlehne ermöglicht sogar den Transport von Sperrgut, das den Platz im Raumwunder-Benz voll ausnutzt. Der Kofferraum bietet einen verstellbaren Boden für ebenes Laden und eine üppige Heckklappenöffnung, die den Besuch im Möbelhaus zum Kinderspiel macht. Das luftige Raumkapselgefühl im Innenraum übertrifft zudem das Platzangebot vieler heutiger Kompaktwagen im SUV-Look.
In puncto Wirtschaftlichkeit überzeugt die B-Klasse auf ganzer Linie. Die extrem windschlüpfige Karosserie und die sparsame Antriebstechnik ermöglichen es, Benziner mit rund sechs Litern und Diesel im Alltag mit fünf Litern auf 100 Kilometern zu bewegen. Dies macht sie zu einem äußerst ökonomischen Gesamtpaket, das auch bei Steuer und Versicherung günstig bleibt.
Die Antriebsvielfalt ist ebenfalls beeindruckend. Das Spektrum reicht von bescheidenen 90 PS (Diesel) beziehungsweise 102 PS (Benziner) bis hin zu kraftvollen 211 PS bei den Benzinern – ein seltenes Leistungsangebot in diesem Segment. Erwähnenswert sind auch die Allradoptionen, eine werkseitige Erdgasvariante (B 200 NGT) und die seltene, aber hochinteressante Elektroversion B 250e, die mit einem vorderen Elektromotor des Tesla Model S eine Reichweite von bis zu 200 Kilometern bietet.
Und dann wäre da noch das "echte Mercedes-Gefühl". Dieses äußert sich in Details wie dem satten Geräusch beim Türenschließen, dem feinen Klicken der Tasten und der hervorragenden Geräuschdämmung, die Vibrationen und Lärm draußen lässt. Holz, Leder und feine Verarbeitung tragen zum hochwertigen Erscheinungsbild bei und machen die B-Klasse zu einem Premium-Auto im Gewand eines günstigen Familienvans. Das durchdachte Infotainment mit freistehendem Farbbildschirm, der in späteren Baujahren sogar Smartphone-Spiegelung via Android Auto und Apple CarPlay bietet, sowie die tiefgreifenden Optionen des Bordcomputers und die gute Ergonomie werden auch professionelle Langstreckenfahrer zu schätzen wissen.
Die B-Klasse muss sich auch optisch nicht verstecken. Eine Fülle von Lacken, Felgen und Stilelementen, bis hin zum AMG-Look, können sie enorm verjüngen. Und das Beste: All diese Qualitäten, die sie zu einem überzeugenden Gebrauchten machen, gibt es bereits ab gut 10.000 Euro für gut erhaltene Exemplare mit weniger als 100.000 Kilometern. Für rund 15.000 Euro finden sich sogar sehr frische Exemplare mit toller Ausstattung. Das ist ein echtes Schnäppchen für das Gebotene.
Echte Krisenherde sucht man bei der B-Klasse erfreulich selten. Die meist eher verhaltene Fahrweise ihrer Vorbesitzer schont die Technik, und ihre solide Bauweise, oft auch im fordernden Taxieinsatz bewährt, sorgt für einen problemlosen Dauerbetrieb.
Dennoch gibt es einige Punkte, die man beachten sollte. Frühe Benziner hatten einen Verarbeitungsfehler an der Einlassnockenwelle, der jedoch flächendeckend durch einen Rückruf behoben wurde. Bei Automatikversionen kommt ein Doppelkupplungsgetriebe zum Einsatz. Dieses gilt zwar konstruktiv als unproblematisch und ist angenehm abgestimmt, unterliegt aber prinzipbedingt dem Kupplungsverschleiß, ähnlich wie bei Schaltgetrieben. In einigen seltenen Fällen berichten Besitzer von Fahrzeugen mit sehr langen Standzeiten über eine schleichende Batterieentladung, was aber kein flächendeckendes Muster darstellt. Abgesehen von der Notwendigkeit einer guten Pflege, um langfristig Rostbildung an Kratzern oder Blechverletzungen zu vermeiden, gibt es keine ernsthaften Achillesfersen.
Wenn man ein Auto nach rein rationalen Kriterien konstruieren würde, wäre das Ergebnis vermutlich der VW Touran der zweiten Generation. Er ist durch und durch vernünftig, eignet sich für praktisch jeden Einsatzzweck auf befestigten Straßen und bietet gemessen an seiner Grundfläche das wohl größtmögliche Platzangebot. Mit seiner absolut zuverlässigen Technik, die stark auf dem bewährten Golf 7 basiert, lässt er sich zudem enorm wirtschaftlich bewegen und verzichtet nahezu vollständig auf unnötige Verspieltheiten. Das mag ihn so nüchtern wie einen Aktenordner erscheinen lassen, doch genau darin liegt sein Reiz.
Der Touran ist ein aussterbendes Modell, denn seine Produktion dürfte 2026 auslaufen, ohne einen direkten Nachfolger. SUVs haben den Kompaktvans längst den Rang abgelaufen, und die Integration von Batterien für Elektroantriebe wäre mit dem Touran-Raumkonzept schwierig. Das macht ihn jetzt, kurz vor seinem Abschied, zu einem umso attraktiveren Gebrauchtwagen.
Die unbestreitbar größte Stärke des Touran ist sein Raumkonzept. Er bewegt sich mit der Grundfläche eines Kompaktwagens (gut 4,50 m lang, etwas kürzer als ein Golf 7 Variant) und bietet dabei das Platzangebot eines E-Klasse T-Modells oder 5er Tourings, jedoch mit unübertroffener Variabilität. Die drei Einzelsitze der zweiten Reihe lassen sich individuell verschieben, umklappen und bieten enorme Flexibilität für unterschiedliche Körpergrößen oder die Platzierung von Ladung wie einer großen Kühlbox. Das Ladevolumen reicht von 834 bis gigantischen 1980 Litern im Transporter-Modus. Egal ob Kinder, Gepäck oder Sperrgut – der Touran packt es. Wer mehr Nachwuchs als Gepäck mitnehmen will, kann nach einem Exemplar mit ausklappbarer dritter Sitzreihe suchen. Die kostet keinen Aufpreis, aber 123 Liter Kofferraumvolumen und wer den Touran wirklich mit Fahrer und sechs Passagieren besetzen will, dem bleiben dahinter nur mehr 137 Liter Kofferraumvolumen. Dafür finden auch in Reihe drei nicht nur kleine Kinder ein menschenwürdiges Raumangebot. Die aufrechte Sitzposition und die großen Scheiben sorgen unabhängig von der Bestuhlung für ein luftiges Raumgefühl und eine hervorragende Rundumsicht, die das Manövrieren in engen Parklücken, selbst ohne Einparkhilfe, zum Kinderspiel macht.
Die Antriebe sind durchweg vernünftig und für den Einsatzzweck perfekt dimensioniert. Die Dieselmotoren sind drehmomentstark und ermöglichen ohne große Einschränkungen Verbräuche um die Fünf-Liter-Marke. Selbst die schwächeren 1,6- bzw. 2,0-Liter-Versionen reichen für den entspannten "Busfahrer-Fahrstil" völlig aus. Bei den Benzinern empfiehlt sich, nicht auf die Basis (1,2-Liter-Vierzylinder) zurückzugreifen, da der 1,4- bzw. 1,5-Liter-Motor mit 150 PS deutlich spritziger und elastischer ist. Ein großer Pluspunkt: Alle Touran 2 nutzen einen Zahnriemen für den Nockenwellenantrieb mit einem Wechselintervall von beeindruckenden 210.000 Kilometern. Selbst der separate, im Ölbad laufende Zahnriemen für die Ölpumpe bietet ein ruhiges Gewissen auf lange Sicht.
Der "Golf-7-Faktor" spielt eine entscheidende Rolle für die Attraktivität des Touran. Seine Plattform und das Bedienkonzept entsprechen dem hochgelobten Golf 7, was sich in wunderbar logisch angeordneten Bedientasten und Drehreglern niederschlägt. Dies steht im Kontrast zu manchen aktuellen VW-Modellen, die mit Softwarefehlern und verwirrender Bedienung auffielen. Dennoch bietet der Touran alle wichtigen modernen Features wie Smartphonespiegelung, Keyless-Go, adaptive LED-Scheinwerfer oder ein volldigitales Kombiinstrument (obwohl die Analoganzeigen exzellent ablesbar sind). Die Technik unter dem Blechkleid, die weitgehend der des Golf 7 entspricht, sorgt zudem für einen sehr zuverlässigen Ruf. Ernsthafte Krisenherde sucht man hier meist vergeblich.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist unschlagbar. Im Netz finden sich über 5.000 Touran 2 zum Verkauf. Gut vertretbare Exemplare mit unter 200.000 Kilometern starten bei rund 11.000 Euro, und frisches Material mit Händlergarantie gibt es massenhaft um 20.000 Euro. Er bietet deutlich mehr Platz als Konkurrenten wie der BMW Active Tourer oder die Mercedes B-Klasse und ist dabei meist deutlich günstiger als diese oder technisch ähnliche Kompakt-SUVs wie der Tiguan.
Schließlich beweist der Touran, dass er nicht nur ein Zweitwagen für den Kindergarten oder Baumarkt ist, sondern eine ausgezeichnete Figur als Hauptauto macht. Sein hoher Nutzwert, der bequeme Ein- und Ausstieg und der gute Langstreckenkomfort lassen ihn im Alltag glänzen und ihn sogar manchem teureren Premiumfahrzeug überlegen sein.
Der Touran ist, wie bereits erwähnt, ein durch und durch nüchternes Auto. Emotionen sucht man vergebens; er ist so "aufregend" wie ein Aktenordner. Das ist für manche ein Manko, für andere eine Stärke.
Aus technischer Sicht gibt es nur wenige nennenswerte Schwächen. Der Basisbenziner (1,2-Liter mit 110 PS) ist für längere Etappen schlichtweg zu schwach und kann die große Stirnfläche des Vans nur unzureichend gegen den Wind stemmen. Ein Head-Up-Display wird im Touran nicht angeboten, was angesichts der sonst reichhaltigen Ausstattung eine kleine Lücke darstellt. Ansonsten sind die Probleme, die online zu finden sind, meist Einzelfälle, die aufgrund der enormen Stückzahl nur statistisch auffallen, aber keine ernsthaften Krisenherde darstellen.
Am Ende des Tages sind sowohl die Mercedes B-Klasse W246 als auch der VW Touran der zweiten Generation ungeheuer praktische, alltagstaugliche und vor allem haltbare Familienautos. Nur wer unbedingt sieben Sitze braucht oder sicher sein will, dass er sie hätte, wenn er sie bräuchte, für den ist die Sache schon entschieden: Für die B-Klasse gibt's die zwei zusätzlichen Plätze weder für Geld noch gute Worte, bei gebrauchten VW Touran erfordern sie lediglich mehr Aufmerksamkeit beim Suchen.
Der VW Touran ist der unbestrittene König des Raumes und der kompromisslosen Vernunft. Wer das absolut größte Platzangebot für seine Grundfläche benötigt, ein narrensicheres Bedienkonzept schätzt und ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis sucht, der findet im Touran sein perfektes Match. Er ist das ideale Gefährt für all jene, die Nützlichkeit über Emotionen stellen und dabei wissen, dass sie auf eine extrem zuverlässige Technik setzen.
Die Mercedes B-Klasse bietet einen ähnlich hohen Nutzwert und viel Variabilität, verpackt dies jedoch in das typische Mercedes-Premium-Gefühl. Wer also Wert auf eine hochwertigere Haptik, feine Materialien und das Flair eines Sterns legt, ohne dafür den Neupreis eines Premium-Modells zu zahlen, der sollte zur B-Klasse greifen. Sie ist der Geheimtipp für jene, die ein wenig Chic und modernere Features zum Spartarif suchen und bereit sind, sich gegen den SUV-Mainstream zu entscheiden.
Wer nun beide Modelle als Favorit im Online-Portal parkt, stellt fest, dass der Mercedes im direkten Vergleich meist ein Stückchen billiger ist. Ob das das Zünglein an der Waage für die Kaufentscheidung sein könnte?
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