Ferrari 12Cilindiri Spider : 830 PS, aber kein Dach überm Kopf
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Im Laufe der Zeit kommen einem jede Menge Motoren unter. Von einem bis 16 Zylindern, Zweitakter, Viertakter, Wankel, mit Benzin, Diesel, Gas, Wasserstoff, Elektro. Alles mögliche. Aber es gibt einen, der steht ganz oben. Obwohl es stärkere, kompliziertere und lautere gibt.
Aber nur diesen einen. Ferraris V12. Sechseinhalb Liter, 65 Grad Bankwinkel, Titanpleuel, Schlepphebel. 830 PS, 9.500/min maximal. Man muss die Marke aus Maranello nicht bedingungslos mögen, doch den F140HD darf man lieben. Er ist ganz er selbst. Ein frei saugendes Monument ohne jede marmorhafte Monumentigkeit. Er sieht nicht nur sensationell aus, er fühl sich auch so an. Pur und kraftvoll, ausschließlich durch die Vereinigung von Luft, Super, Feuer und Flamme in seinem schrumpflackroten Köpfen.
Wo andere Motoren auf künstliche Beatmung oder Elektrohilfe setzen, pflegt er Tradition. Viel Hubraum und viele Zylinder ergeben flinkes Ansprechverhalten, fettes Drehmoment, enorme Drehfreude und Leistung. Du kannst es nicht beschreiben, musst es erleben. Alles fügt sich, wenn er loslegt. Natürliches Gefühl am Fuß, unfassbarer Sound am Ohr, verstörende Signale vom Gleichgewichtssinn, spätestens wenn sich der rechte Fuß Richtung Bodenblech senkt und der Drehzahlmesser jenseits 7.000 schnalzt. 9.500/min. Was für eine Erlebnis! Bereits davor, im mittleren Bereich geht es vorwärts, ab 2500/min drückt er ordentlich Newtonmeter, die sich über den Achtgang-Doppelkuppler an der Hinterachse in die 315er-Michelins einmassieren. Kurzer Einschub: das hier ist kein Fanboy-Text, mir sind Stiere, Stuttgarter Pferde, Sterne, Propeller und Jaguare auch genehm. Trotzdem hat diese Motor eine Lob verdient.
Zumal sie ihn in ein klasse Coupé pflanzen. Pardon, jetzt auch ins Cabrio. Ferrari 12Cilindri, besser hätten sie ihren Spider nicht nennen könne, denn um die beiden Dinge geht es. Der Motor und das Offenfahren. Wobei der Rest dazwischen auch nicht oll ist. Der 4,70 Meter lange Aluminium-Zweisitzer beschwört durchaus erfolgreich den Geist des Daytona 365 GTB/4 Spyder. Der seit den Spät-80ern durch Miami-Vice propagiert wurde, obwohl es ja eigentlich keiner war. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Der 12Cilindri ist kein Fake, sondern eine mutige, klar und cool gezeichnete Alternative zu sonstigen Mittelmotor- und Langhauber-Sportlern. Von der spitzen Schnauze bis zum Heck mit den zwei Hutzen, offen oder geschlossen schlüssig. Ferrari warf abgestandene Optik-Folklore über Bord, serviert einen Spider mit konsequentem Fron-Mittelmotor-Layout und traditionellem Supercar-Motor an hochmoderner Technik.
Spürst du sofort beim Fahren. Schon nach dem Einsteigen ist man zuhause, der Ferrari 12Cilindri ist kein böser Buben, der einem das Fürchten lehrt. Das ist schon nach ein, zwei Kurven klar. Du ahnst die balancierte Gewichtsverteilung (48 Prozent vorn, 52 hinten), das nochmals steifere Aluminium-Chassis mit Extra-Querverbindung, die Allradlenkung mit einzeln angesteuerten Hinterrädern, die umfassende und sorgsam applizierte Elektronik von der elektronisch gesteuerten Bremse bis zur Driftwinkelkontrolle SSC 8.0 schon beim Losrollen. Um sie beim langsamen Forcieren sukzessive zu erfahren. In einer Kabine, die im Fond statt zwei Notsitzen wie beim Coupé jetzt Platz fürs Verdeck schafft. Die beiden Insassen vorn werden wie gehabt streng separiert vom Mitteltunnels aber auch der Cockpitgestaltung, die in der Mitte einen gemeinsamen Bildschirm offeriert, Fahrer und Co. ansonsten aber eigene Displays zuweist.
Der Fahrer steuert den 12Cilindri im Wesentlichen übers Lenkrad. Wie sonst? Per Lenkung, klar, doch wie üblich konzentriert Ferrari hier zudem Licht, Blinker, Fahrdynamikregelung und Infotainment. Solange per physischen Elementen okay, die kapazitiven Tasten hingegen sind schlecht bedienbar und eines Supersportlers unwürdig. Geteilte Meinungen kassieren die Sitze, je nach Körperform und persönlichen Vorlieben zwischen "ja bitte" und "nein danke". Im Gegensatz zur optionalen Burmester-Anlage, die mit 1.600 Watt Leistung fein auflösend musiziert, notfalls jedoch auch Motor- und Windgeräuschen überstimmen kann.
Mit einer Stimme sprechen zudem Lenkung und Handling. Hier passt für jeden alles – von der Rückmeldung übers Handmoment bis zu Agilität und Stabilität, abhängig vom Fahrmodus. Über den Motor müssen wir eh nicht reden, der steht über allem, per kürzer übersetztem Getriebe nochmals agilisisert. Nur der achte Gang ist länger, von wegen Effizienz. Dieses Feigenblatt weht im Fahrtwind eh davon, wenn das Hardtop (in 14 Sekunden bei bis zu 45 km/h) öffnet.
Jetzt ist Spiderzeit. Die hintere Scheibe moduliert den Fahrtwind nach Wunsch, Öffnungen in den Höckern reduzieren Verwirbelungen. Überhaupt die Aerodynamik: sie hilft an allen Ecken vom Unterboden mit Finnen, Ein- und Auslässen über Spoiler und Klappen an der Karosserie die zwischen 60 und 300 km/h stets für den situationsbedingt passenden Abtrieb sorgen. Darunter und darüber – also bis maximal 340 km/h – garantieren sie niedrigen Luftwiderstand und eine elegante Linie.
Und so elegant wie er aussieht, so fährt er auch. So die Intention von Ferrari, die den V12 als dynamisch-komfortablen Klassiker positionieren, für den harten Sport sind in Maranello andere zuständig. Der Ferrari 12Cilindri Spider vermeidet anstrengende Supercar-Exotik, begeistert dafür mit einer hervorragenden Federung, die selbst von Baumwurzeln zerfurchte Straßen glattzieht, verbunden mit einer Rückmeldung, die stets sagt, wo der Wagen steht. Zum Teil wechselt der Fahrbahnbelag dreimal in einer Kurve, die Vorderräder und die Hinterachse halten einen akkurat auf Stand. Wenn es mal schneller gehen soll, kein Problem, der mögliche Grip ist jederzeit fein abzuschätzen. Und dann ist das ja noch die Elektronik bis hin zur Slip Angle Control, die mögliche Driftwinkel abhängig vom gewählten Fahrmodus beaufsichtigt. Schließlich sollen Schlepphebel, Titanpleuel und Ionenstromkontrolle beim V12 ja etwa zu tun bekommen.
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