Sprache auswählen

German

Down Icon

Land auswählen

Germany

Down Icon

Chrysler 300 Hurst Fahrbericht und Kaufberatung: 7,2 Liter Hubraum, 380 PS, keine 500-mal gebaut

Chrysler 300 Hurst Fahrbericht und Kaufberatung: 7,2 Liter Hubraum, 380 PS, keine 500-mal gebaut

Hurst Performance: ein klangvoller Name, bei dem Oldsmobile- und Muscle-Car-Fans die Augen leuchten, vor allem wenn sie an die weiß-goldenen Hurst/Olds denken, die 1969 auf Basis des 442 von der Tuningschmiede in Warminster, Pennsylvania, veredelt wurden.

Für alle, denen der Name bisher nichts sagt: Hurst startete 1958 als einfache Werkstatt im kleinen Ort Glenside und stellte nebenbei Stoßstangen für VW Busse her. Nach dem Einstieg eines Investors entwickelte die Firma Schalthebel, die ab Mitte der 1960er-Jahre als unverzichtbares Zubehör für amerikanische PS-Boliden galten, insbesondere für den Einsatz im Drag Racing, aber auch auf der Straße.

Oldsmobile reagierte als Erster auf den Hurst-Hype und brachte 1968/69 den Hurst/Olds auf den Markt. Das Muscle-Car war mit einem 385 SAE-PS starken 7,5-Liter-V8 und natürlich einem Hurst-Shifter ausgestattet. Nur für das Jahr 1970 sicherte sich dann Chrysler eine Kooperation.

Zuvor hatte der Konzern mit dem Modelljahr 1969 eine neue Fullsize-Flotte auf der C-Plattform vorgestellt. Die selbsttragende Karosserie im sogenannten Fuselage(Flugzeugrumpf)-Design stammte aus der Feder von Chefdesigner Elwood Engel. Der Begriff spielt auf die glatten, nach außen gewölbten Flanken der wuchtigen Straßenkreuzer an.

Neben Plymouth-, Dodge- und luxuriösen Imperial-Modellen entstanden auch vier Chrysler-Ausführungen in diesem Stil. Das sportlichste Modell (und damit prädestiniert für die Nachbehandlung durch Hurst) war der 300. Chryslers legendäre Serie von Performance-Coupés und -Cabrios, die zwischen 1955 und 1965 als sogenannte Letter Cars in alphabetischer Reihenfolge vom 300C bis zum 300L Kunden mit exklusivem Autogeschmack und entsprechendem Geldbeutel lockten, hatte die Buchstaben 1965 abgelegt. Mit den Fuselage-Modellen ging die Baureihe 1969 in ihre (vorerst) letzte Runde.

Doch genug der Vorrede. Wir reisen nach Plüderhausen in Baden-Württemberg, um eines von nur 485 gebauten Exemplaren des Chrysler 300 Hurst zu fahren. Noch bevor Besitzer Stefan Leufgen die Softgarage lupft, stehen wir staunend vor dieser beeindruckenden Erscheinung: 5,71 Meter lang, über zwei Meter breit – und das als zweitüriges Coupé! Der Stoff gleitet über die verchromte Frontmaske, die Stefan nach dem Kauf des Wagens aufwendig selbst restauriert hat, und weiter über die schier endlos lange Fiberglas-Motorhaube, in die eine bullige, aber funktionslose Hutze hineinmodelliert ist.

Hinter der Heckscheibe kommt der Kofferraumdeckel – ebenfalls aus GFK – zum Vorschein, der mindestens genauso lang ist wie die Motorhaube. Proportionen, die ihresgleichen suchen. Der Lack in Spinnaker White ist mit goldenen Flächen und gelben Details verziert, wie sie Hurst schon im Jahr zuvor beim Hurst/Olds als Markenzeichen eingeführt hatte. Den Motor ließen die Tuner allerdings unangetastet. Der massive 440 TNT, ein 7,2-Liter-V8 mit 380 SAE-PS aus Chryslers RB-Serie, ruht beinahe luftig im riesigen Vorderwagen. Im zivilen Chrysler 300 als Option verfügbar, war er der einzige Motor, der im 300 Hurst zum Einsatz kam.

Der Innenraum empfängt uns mit einer üppigen Landschaft aus braunem Leder und ebensolchem Teppich. Die unglaublich komfortablen Sessel borgte sich Chrysler von der Luxus-Schwestermarke Imperial. Noch während mein Rücken genussvoll in das dick gepolsterte Gestühl einsinkt, trifft mich ein Gefühl herber Enttäuschung. Hinterm Lenkrad blitzt der verchromte Wählhebel einer gewöhnlichen Dreistufen-TorqueFlite-727-Automatik hervor. Wo ist der Hurst-Shifter?

"Den gibt es hier nicht", lacht Stefan. "Auch für Geld und gute Worte war er nicht zu haben." Tatsächlich beschränkt sich das Hurst- Paket im Wesentlichen auf die GFK-Teile, die spezielle Lackierung und geänderte Felgen. Eine größere Ölwanne, eine modifizierte Zündung und der Hurst-Shifter standen zwar ursprünglich im Lastenheft, wurden aber aufgrund eines zu knappen Zeitplans bis zum geplanten Launch nicht mehr umgesetzt. Nun, dann muss es eben Chryslers gute alte TorqueFlite richten.

Der winzige Schlüssel dreht sich im Zündschloss, der Big Block schüttelt sich kurz und schickt dann ein Donnern durch die beiden Endrohre, das sofort Gänsehaut erzeugt – dieser Sound wird nie langweilig! Auf der Straße gibt sich der zwei Tonnen schwere Zweitürer staatsmännisch, gleitet souverän und niedertourig dahin, ohne Getöse. Überraschend: Die Vorderachsfederung mittels zweier längsliegender Torsionsstäbe lässt den Chrysler deutlich straffer und präziser wirken, als man es von Fullsize-Kreuzern von Ford oder GM aus dieser Periode gewohnt ist.

Ein Tritt auf Gas jedoch, schon ist Schluss mit Zurückhaltung. Der 7,2-Liter- TNT zeigt dann seinen wahren Charakter und schiebt das Schiff mit der bollernden Macht seiner 651 Newtonmeter Drehmoment in nur 7,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Das gelingt ihm nicht zuletzt durch die im Vergleich zu den anderen Fuselage- Chrysler verkürzte Hinterachsübersetzung. Plötzlich fühlt sich der Hurst ganz handlich an, auch weil die Ingenieure der leichtgängigen Servolenkung noch eine gute Portion Rückmeldung ließen. Trotzdem kann dieses Trumm seine schiere Masse nicht kaschieren. Für echtes Sportwagengefühl müsste er deutlich abspecken – und bräuchte den Hurst-Shifter!

Dennoch ist es ein Genuss, diesen lässigen Cruiser entspannt über die Straßen gleiten zu lassen. Es genügt, zu wissen, dass man könnte, wenn man wollte.

Typ RB 440 TNT, wassergekühlter V8-Motor (90 Grad), vorn längs, Bohrung x Hub 109,72 x 95,25 mm, Hubraum 7206 cm³, Leistung 380 SAE-PS bei 4600/min, max. Drehmoment 651 Nm (SAE) bei 3200/min, Verdichtung 9,7 : 1, zwei Ventile je Brennraum, betätigt über eine zentrale, kettengetriebene Nockenwelle, Stoßstangen und Kipphebel, Motorblock und Zylinderköpfe aus Grauguss, fünf Kurbelwellenlager, ein Carter-AFB-Vierfachvergaser 750 CFM, Ölinhalt 5,7 Liter

Dreistufenautomatik (Chrysler TorqueFlite), Sure-Grip-Differenzialsperre, Hinterachsübersetzung dritter Gang 3,23 : 1, Hinterradantrieb

Selbsttragende zweitürige Stahlblechkarosserie, vorn Einzelradaufhängung an oberem Dreiecks- und unterem einfachen Querlenker mit elastisch gelagerter Zugstrebe und längsliegendem Torsionsfederstab, Kurvenstabilisator, hinten Starrachse mit Blattfedern, rundum Teleskopstoßdämpfer, Servo-Kugelumlauflenkung, vorn Scheiben-, hinten Trommelbremsen mit Bremskraftverstärker, Felgen 6 J x 15, Reifen H78-15

Radstand 2743 mm, Länge x Breite x Höhe 5707 x 2009 x 1410 mm, Gewicht 1975 kg, Tank 91 Liter

Fahrleistungen und Verbrauch:

Vmax 212 km/h, Beschleunigung 0 bis 100 km/h in 7,6 s, Verbrauch 18 bis 25 l/100 km

Chrysler 300, 1969 bis 1971: 67.408 Exemplare, davon 485 als Hurst Edition

auto-motor-und-sport

auto-motor-und-sport

Ähnliche Nachrichten

Alle News
Animated ArrowAnimated ArrowAnimated Arrow