Sechszylinder und Sommerbrise: Unterwegs mit Mercedes CLE 450 Cabriolet - sanft und schnell

Modisches Uni-Grau macht den Mercedes CLE sportlich, ebenso die Powerdomes in der Motorhaube. Dabei ist er eher ein sanft agierender Powerbrocken.
(Foto: Patrick Broich)
Was gibt es Schöneres, als mit einem offenen Mercedes durch den milden Sommerwind zu gleiten? Und dann noch mit einem feinen und klangstarken Reihensechszylinder, wie er beim CLE 450 4Matic Standard ist? ntv.de hat das Cabrio unter die Lupe genommen.
Etwa 20 Sekunden dauert der Weg zum (automobilen) Glück. Länger braucht die Stoffkapuze des Mercedes CLE Cabrio nicht, um fein surrend in Richtung Kofferraum zu verschwinden und damit ein Plätzchen unter freiem Himmel zu schaffen. Der wahre Luxus ist nämlich nicht mehr, sondern weniger Auto, das war schon immer so. Allerdings werden Cabrios exklusiver, allein deshalb, weil in den letzten Jahren so viele Modelle weggefallen sind.
Oben ohne ist rar geworden und tendenziell höhersegmentig - einen Kleinwagen ohne Dach findet man heute eher nicht mehr. Auch bei der Marke mit dem Stern wurde das Angebot ausgedünnt. Gab es früher noch C-, E- und S-Klasse als Cabrio plus SLK sowie SL, sind derzeit bloß noch CLE und SL übriggeblieben. Doch wie viel Cabrio braucht der Mensch eigentlich?

Das Cabrio wirkt optisch kompakter, als es eigentlich ist angesichts der 4,85 Längenmeter.
(Foto: Patrick Broich)
Glaubt man Mercedes, soll der CLE irgendwo zwischen E- und C-Klasse positioniert sein. Aber ganz ehrlich? Ich glaube an diese Theorie nicht. Schon von der Länge her ist das erwachsene Cabrio mehr E- als C-Klasse (4,85 Meter), und bloß, weil es keinen sogenannten Superscreen gibt - hier liegt nämlich der primäre Unterschied -, ist man gefühlt noch nicht auf C-Klasse degradiert. Schon gar nicht, wenn unter der langen Motorhaube mit den Powerdomes der seidenweiche Reihensechszylinder werkelt - den es bei der C-Klasse gar nicht erst gibt. Und der sollte es schon sein für das vollendete Cabrioglück.
Der CLE ist eher sanft als sportlichDenn zur gehobenen Autokategorie passt der Sechsender einfach besser, auch wenn dieser nicht mehr so sonor klingt wie zu früheren Zeiten, als das Kraftstoff-Luft-Gemisch in das Saugrohr und nicht direkt in den Brennraum gespritzt wurde. Stattdessen haben die Sounddesigner dem CLE eher ein sportliches Klangbild verpasst, das aber nur vernehmbar ist unter Nutzung des kompletten Drehzahlbandes. Sonst bleibt der Dreiliter-Turbo flüsterleise.

Mit dem durchgehenden Leuchtband des CLE bedient Mercedes einen aktuellen Trend.
(Foto: Patrick Broich)
Grundsätzlich ist der offene Mercedes ein geschmeidiger Geselle, was sich auch im Fahrwerk widerspiegelt. So überrollt er schlechte Straßen samtig, und auch die komfortablen Sitze laden ein, um viele Kilometer am Stück ermüdungsarm zu fahren - jedenfalls in der Theorie.
Dabei ist der CLE doch eigentlich ein Schönwetter-Wochenend-Cruiser, der sicherlich in der Regel keine Strecke macht, aber immerhin auch mal eine ausgedehnte Urlaubsfahrt bestreiten können muss oder soll. Aber jetzt wird nicht philosophiert, sondern gefahren. Und zwar ohne Dach, um den Frischluftfaktor abzuchecken.

Etwas weniger, aber immer noch genug Display-Option unterscheidet den CLE von der E-Klasse.
(Foto: Patrick Broich)
Denn nur weil man Cabrio fährt, muss das noch keine Garantie für Sturm um die Nase sein. Und in der Tat ist der Benz eher gnädig zu seinen vorderen Passagieren, es ist eben kein britischer Roadster mit steilstehender Scheibe. Und man kann den Luftstrom noch weiter reduzieren mittels elektrisch ausfahrbarem, aber zweifelhaft aussehendem Windabweiser plus Windschott. Mehr Luft gefällig? Dann ab in die hinteren Sitznischen - sorry, richtig viel Platz in der zweiten Reihe bietet der CLE nicht. Aber damit ist er in guter Gesellschaft, denn geräumige Cabrios (auf den Fond bezogen) gibt es einfach kaum, falls es sich nicht gerade um das Kennedy-Auto handelt, also dem viertürigen Lincoln-Continental-Cabrio.
Richtig Sturm gibt es nur im FondTrotzdem hat es was, hinten zu sitzen. Hier spürst du den Sturm und damit verbunden auch irgendwie ein Gefühl der Freiheit. Und wenn du jetzt auch noch einen willigen Fahrer findest, der den Allradler mal richtig laufen lässt, wird aus dem Sturm ein richtiger Orkan. Ein physischer Orkan und ein Orkan der Gefühle. Immerhin lässt sich der 2,1-Tonner in 4,7 Sekunden auf 100 km/h hämmern, das zerrt ganz schön am Körper, wenn dieser obendrein gleichzeitig den Elementen ausgesetzt wird. Und maximal sind 250 km/h möglich - da heißt es anschnallen und gut festhalten, wenn du dich bei diesem Tempo dem Luftzug stellen möchtest.

Umklappbare Sitze im Cabrio sind schon eher außergewöhnlich.
(Foto: Patrick Broich)
Doch der CLE kann auch moderat. Und wer bei kühleren Temperaturen Frischluft genießen will, darf den sogenannten Airscarf bemühen - ein quasi eingebauter Fön, der direkt aus der Kopfstütze warme Luft gen Nacken pustet. Braucht man so etwas oder ist das Spielerei für verweichlichte Existenzen, die sich eigentlich im Produkt vergriffen haben? Eine spannende Diskussion.
Und ein paar noch ältere Mercedes-Traditionsfeatures greift die Baureihe 236 auf. So sorgt es immer wieder für ein Schmunzeln, wenn wegen fehlender B-Säule surrend der Gurt angereicht wird. Kommt man sonst eben nur mühsam ran. In die Kategorie praktische Gimmicks passt auch die Möglichkeit, den zentralen Touchscreen in der Neigung verstellen zu können, um die Ablesbarkeit bei grellem Sonnenlicht zu verbessern. Und: Man kann tatsächlich die Rücksitzbank umklappen! In einem Cabrio! Falls rund 300 Liter Gepäckraumvolumen mal nicht reichen sollten beim Verreisen mit zwei Personen.
Gibt es auch Kritik bei dem Alltags-Traumwagen? Aber ja, wenngleich Mercedes das Problem wohl erkannt hat und jetzt sukzessive nachbessert: Die Sitzverstellungstasten in den Türtafeln bieten in diesem Modell noch keine haptische Rückmeldung. Schon geändert beim neuen CLA, Mercedes hört also offenbar auf herangetragene Bitten.
Bleibt bloß noch die Preisfrage. Jetzt kann man sich fragen, ob es eine gute Nachricht ist, dass der offene Sechszylinder immerhin noch fünfstellig kostet. Aber er ist mit rund 95.000 Euro (genauer hat Mercedes es nicht mehr seit der Umstellung auf das neue Preismodell) verdammt nah an der 100.000-Euro-Schwelle. Immerhin braucht man nicht zwingend Sonderausstattungen, denn die beiden schönsten Features sind sowieso der Reihensechszylinder sowie der Frischluftzugang über das zu öffnende Verdeck.
Quelle: ntv.de
n-tv.de