Kimi Antonellis Vertrauenskrise: Hilft die alte Radaufhängung?

(Motorsport-Total.com) - Mercedes hat vor dem Wochenende in Ungarn Veränderungen an seinem W16 vorgenommen und hofft, das Blatt in der derzeit schlechten Saisonphase wieder zu wenden und vor allem Rookie Andrea Kimi Antonelli wieder das notwendige Selbstvertrauen zurückzugeben, das der Italiener in den vergangenen Monaten verloren hatte.
Seit dem Europaauftakt in Imola hatte Antonelli nur in einem von sieben Rennen punkten können. Das macht er vor allem an einem Upgrade an der Vorderradaufhängung fest, das in Imola gebracht wurde. Der Schritt zurück soll nun für Mercedes wieder der Schritt nach vorne werden.
"Hoffentlich kommt dadurch auch das Fahrgefühl zurück", sagt der Rookie. "Seit wir auf die neue Aufhängung umgestellt haben - mit Ausnahme von Kanada - habe ich Schwierigkeiten, das Auto zu fahren und Vertrauen aufzubauen."
"Wahrscheinlich habe ich mich auch nicht optimal angepasst, weil ich immer versucht habe, meinen Stil beizubehalten und das Auto so zu fahren, wie ich es wollte - aber das hat einfach nicht funktioniert", gibt er zu. Während sich Teamkollege George Russell mit seinem Fahrstil besser anpassen konnte, habe genau das Antonelli in der Europasaison wehgetan.
Aber: Auch die Ergebnisse von George Russell sind mit Ausnahme von Kanada schlechter geworden: Stand er in den ersten sechs Rennen viermal auf dem Podest, so war es in den sieben Rennen danach nur ein einziges Mal.
Liegt es an der Aufhängung?Für Mercedes ist das auffällig. "Man weiß nie genau, was die anderen Teams getan haben, um sich zu verbessern. Aber wenn plötzlich alle um dich herum schneller sind und du selbst nicht, dann ist es meistens so, dass du selbst etwas falsch gemacht hast", sagt Technikchef James Allison. "Es ist unwahrscheinlich, dass alle gleichzeitig ein gleich großes Update gebracht haben."
Allerdings weiß Mercedes nicht mit absoluter Sicherheit, dass es an der Aufhängung liegt, das ist aktuell nur die wahrscheinlichste Theorie. "Es gibt keine Garantie, dass das der Grund ist, warum wir einen Schritt zurück gemacht haben", bestätigt Russell. "Es könnte ein Faktor sein - das wollen wir an diesem Wochenende herausfinden."
"Aber wenn man sich einfach die Ergebnisse insgesamt anschaut, ist klar, dass wir uns zurückentwickelt haben und wir zu einer Basis zurückkehren müssen, von der wir wissen, dass sie funktioniert", so der Engländer. Und solange man nicht zu dieser Basis zurückkehrt und sich die Ergebnisse verbessern, "kann man nicht mit Sicherheit sagen, dass es daran liegt", meint er weiter.
Was die Fahrer sagen, zähltIn der Theorie macht Mercedes sein Auto mit dem Rückbau wieder langsamer, doch in der Praxis mag das am Ende anders sein. "Selbst wenn man Rundenzeiten und Punkte ignoriert - was die Fahrer uns sagen, zählt", betont Allison. "Und die sagen ganz klar: Das aktuelle Auto hat Probleme beim Bremsen und beim Einlenken bei hoher Geschwindigkeit. Das war zu Saisonbeginn nicht so."
"Damals war es relativ einfach abzustimmen, es war nicht weltmeisterlich, aber deutlich einfacher als jetzt. Und das ist frustrierend - weil wir hart gearbeitet haben, um das Auto zu verbessern, und es ist uns nicht gelungen", sagt er.
"Der Vorteil: Wenn man sich selbst in die falsche Richtung bewegt hat, kann man den Weg auch wieder zurückgehen. Das ist einfacher, als wenn man ein komplett neues Auto mit eingebauten Fehlern hat und nicht weiß, wo man anfangen soll."
Die beschriebenen Probleme im Auto kann Antonelli dabei bestätigen. Er erklärt, wieso er derzeit mit seinem Fahrzeug zu kämpfen hat: "Mit meinem aggressiven Fahrstil habe ich das Auto noch unberechenbarer gemacht", sagt der Italiener. "Wenn ich versucht habe zu pushen, konnte ich kaum fühlen, ob es hält oder nicht."
"Immer wenn ich mehr gepusht habe, hat das Auto nicht mitgemacht oder mir Signale gegeben, dass es nicht halten würde. Deshalb habe ich auch versucht, meinen Fahrstil etwas zu ändern - bin da aber nicht gut genug vorangekommen", so Antonelli. "Ich hoffe einfach, dass mit der alten Aufhängung das gute Gefühl zurückkommt."
Mercedes: Schwache Form nicht seine SchuldDer Frust über die fehlenden Ergebnisse war dem 18-Jährigen in den vergangenen Wochen deutlich anzumerken. Zumindest hat er das Wissen, dass sein Arbeitgeber Mercedes hinter ihm steht und das Vertrauen ausspricht. Und spätestens nach der Absage von Max Verstappen muss er sich wohl keine Sorgen um seine unmittelbare Zukunft mehr machen.
"Ich hoffe, er findet etwas Trost darin, dass wir ihm sagen - und es ist nachweislich so - dass wir mit dem Auto die falschen Entscheidungen getroffen haben", nimmt Allison seinen Schützling aus der Schusslinie. "Das hat das Team weniger konkurrenzfähig gemacht, und er bezahlt dafür den Preis - genau wie George."
Er weiß: "Wenn das Auto nicht dort ist, wo es sein sollte, ist es hart, sich in deiner Rookie-Saison durch das Qualifying zu kämpfen. Und uns ist völlig klar: Wir müssen das Auto besser machen - dann wird sich Kimis Situation auch wieder drehen. Und hoffentlich hört er auf uns, wenn wir das sagen."
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Aufbauende Worte erhält Antonelli aber auch von seinem Teamkollegen, der betont, dass Antonelli eigentlich noch besser fahre als zu Saisonbeginn, wenn man sich den Rückstand bei den Rundenzeiten anschaut.
"Der Unterschied ist: In Kanada standen wir auf Pole, und er war Vierter, über eine halbe Sekunde zurück. In Spa war er nur drei Zehntel hinter mir - aber das war der Unterschied zwischen Q1-Aus und Q3", sagt Russell.
"Das Team hat ihm sehr klar gesagt, dass er sich keine Sorgen um die Ergebnisse machen soll. Er macht es sehr gut, wenn man seine Erfahrung bedenkt, und es ist das Auto, das uns beide zurückgeworfen hat. Das ist natürlich schwer zu akzeptieren, wenn man in dieser Lage ist - aber wenn das Auto nicht das bringt, was man erwartet, ist es eben nie leicht."
Mit gutem Abschluss in die SommerpauseTrotzdem war Spa aus Sicht von Antonelli ein Horrorwochenende. In beiden Qualifyings schied er bereits im ersten Abschnitt aus und konnte im Sprint und im Rennen dann nichts mehr ausrichten. Dementsprechend froh ist er, nur eine Woche später schon zum nächsten Rennen zu kommen, um es besser machen zu können.
"Ich will vor der Sommerpause unbedingt ein gutes Ergebnis holen", sagt er. "Wenn da jetzt eine große Pause gewesen wäre, hätte ich mich die ganze Zeit verrückt gemacht."
Die Hoffnung ist, dass es mit der neuen, alten Aufhängung wieder besser wird. "In Spa habe ich tief in mich hineingeschaut und festgestellt: Mit dieser Aufhängung kann ich nicht die Leistung bringen, die ich vorher abrufen konnte. Und ich habe mich auch nicht gut genug angepasst, um das Maximum aus dem Auto zu holen."
"Das war schwer zu akzeptieren - aber es hilft auch. Denn es zeigt einem, dass man sich Ziele setzen und an sich arbeiten muss", so der Youngster. "Es war nicht leicht, aber es hilft, sich neu zu fokussieren und noch härter an sich zu arbeiten."
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