Japan Mobility Show: warum Japans Autohersteller bei Antrieben auf Technologieoffenheit setzen

Japans grösste Automesse will die Japaner für Autos begeistern. Elektroautos spielen auf der Bühne eine Rolle. Auf den Strassen setzen die Japaner weiterhin auf eine Multi-Pfad-Strategie, die auch Hybride und Benziner umfasst.
Martin Kölling, Susono/Kawasaki/Gyeongju

Der Toyota-Chef Koji Sato gibt an Japans grösster Autoshow traditionell den Takt vor. Eine ganze Halle hat der weltgrösste Autokonzern an der Japan Mobility Show gebucht, um seine Markenwelt darzustellen. Von den Anfängen als Webstuhl-Hersteller bis zu seinen neuesten Konzepten. Auffällig ist allerdings auch, was fehlt: eine klare Aussage zu Toyotas Elektroautooffensive.
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Toyota hatte angekündigt, seine ursprüngliche Schätzung für 2026, 1,5 Millionen Elektroautos zu verkaufen, zu überprüfen. Das wären etwa 14 Prozent des Absatzes gewesen. Doch der Konzernchef streift das Thema in seiner Pressekonferenz auf der Messe nur am Rande.
«Ein Auto fahren wollen, das cool aussieht – ich glaube, diesen Wunsch teilen viele von uns», sagt Sato. «Ob Batterie-Elektrofahrzeug, Plug-in-Hybrid, Hybrid oder Fahrzeug mit Verbrennungsmotor – unabhängig von der Antriebsart –, lassen Sie uns gut aussehende Autos bauen, die jeder gerne fahren möchte!»
In einer Welt, in der andere Autohersteller an ihren Elektrifizierungsplänen gemessen werden, ist Toyotas Ansatz überraschend. In Japan nicht: Hier stehen die jüngsten Vorschläge für neue Elektroautos von Toyota, Honda, Nissan und Co. zwar auf den Bühnen – ein Zeugnis dafür, dass auch die Japaner die Technologie ernst nehmen. Bei den Antrieben für die Autos der Zukunft lautet das Mantra der japanischen Autohersteller jedoch weiterhin «Multi-Pfad-Strategie» – oder auf Autodeutsch: Technologieoffenheit.
Sie alle wollen Elektroautos bauen, aber Verbrennungsmotoren, Hybride und manchmal auch Brennstoffzellen nicht lassen. Das wird schon bei Toyota deutlich. Die meisten Konzeptautos der vier Toyota-Marken Toyota, Daihatsu (Kleinwagen), Lexus (Premium) und Century (Ultra-Luxus) sind zwar offensichtlich vollelektrisch konzipiert, nicht jedoch Toyotas Weltpremiere auf der Messe.
Toyotas Konzepte sind elektrisch, die Weltpremiere nichtHier die Beispiele: Eine Idee hat Toyotas Verwaltungsratsvorsitzender Akio Toyoda bereits vor der Messe in einem Video vorgestellt: einen sechsrädrigen Mega-Van für die Vorstandsklasse von Lexus. Es handelt sich um die neueste Evolutionsstufe des Lexus LS, der als Stufenhecklimousine für Firmenchefs begann.
Vorne hat er ein normalgrosses Rad, hinten zwei kleine. Ein Ingenieur erklärt den Grund: Dadurch konnte der Radkasten verkleinert werden, um den Passagieren auf den Rücksitzen ein bequemes Aussteigen zu ermöglichen. Simon Humphries, Chief Branding Officer des Konzerns, präsentierte das Konzept vor der Show im Testzentrum von Toyota am Berg Fuji in seiner Marketingsprache: «Raum ist Freiheit, und Freiheit ist einfach unbezahlbar.» – «Dies ist nicht nur ein Auto, es ist ein Tor zu einem grösseren Lebensstil.»
Auch das Coupé-Konzept von Century ist dem Konzern wichtig. Denn der Konzern hat beschlossen, die bisher unter Toyota laufenden Super-Luxusschlitten zu einer eigenen Marke zu machen. Die meisten Konzepte für Toyota und Daihatsu setzen auf Stromantriebe, nicht aber die eigentliche Weltpremiere: der neue, bisher kompakteste Geländewagen des Konzerns.
Das Modell heisst Land Cruiser FJ und wird erstmals nicht in Japan, sondern in Thailand gebaut. Der hochbeinige Outdoor-Bolide wird mit dem zwanzig Jahre alten Benzinaggregat des grösseren Land Cruiser 250 ausgestattet. Die Hauptzielmärkte sind Japan sowie Schwellen- und Entwicklungsländer. Humphries fasst die Philosophie wie folgt zusammen: «Wir glauben, dass die emotionale Seite des Fahrens immer bestehen bleiben wird.» Der Antriebsstrang sei dabei nur ein Faktor.
Von Fluch und Segen globaler MarktpositionenAndere Hersteller gehen offensiver mit dieser Thematik um. So stellt Honda mehrere Elektroautos vor, um die bisher auf Hybride geschulte japanische Kundschaft auf die neuen Antriebswelten vorzubereiten. Doch auch sie bekennen sich zur Multi-Pathway-Strategie – teilweise auch mit Erfolg.
Weltweit profitieren die Japaner von der steigenden Beliebtheit von Hybridautos, die allgemein als Übergangstechnologie gelten. Finanziell spaltet sich das Lager der acht japanischen Marken allerdings. Während Nissan und Honda unter immensem Sanierungsdruck stehen, wiesen Toyota und sein verbündeter Kleinwagenhersteller Suzuki in den Bilanzen des zweiten Jahresviertels sehr hohe Werte für Massenhersteller von knapp unter 10 Prozent auf.

Doch eines eint die Hersteller: Sie alle stehen als globale Marken vor der Herausforderung, für alle Märkte zu entwickeln und damit mehrgleisig fahren zu müssen. Es gibt Märkte wie China und Europa, in denen Elektroautos einfach zum Portfolio gehören müssen. Andererseits gibt es Märkte mit hoher Nachfrage nach anderen Antrieben, zum Beispiel Schwellenländer, und den Heimatmarkt, an dessen Kunden sich die Japan Mobility Show wendet. Und in Japan haben Elektroautos ein Problem, das sich am Stand von Daimler Trucks’ japanischer Tochter Mitsubishi Fuso gut besichtigen lässt.
Was die Daimler-Trucks-Tochter Fuso über Japans Elektroautomarkt verrätFuso ist in Japan zwar mit dem Modell eCanter Technologieführer bei kleinen Elektro-LKW für den städtischen Auslieferungsverkehr. Auf der Messe stellt der Fuso-Chef und Daimler-Trucks-Vorstand Karl Deppen allerdings keinen Elektro-LKW für den Fernverkehr in den Mittelpunkt, wie es ihn in Deutschland schon gibt, sondern zwei Wasserstoffmodelle: einen mit Brennstoffzelle und einen, der Wasserstoff direkt verbrennt.

Beide seien hier in Japan eine Branchenneuheit, sagt Deppen vor der Messe im Fuso-Hauptsitz in Kawasaki. Hier bereitet er die neue LKW-Gruppe Archion vor, eine Grossfusion aus Fuso und Toyotas LKW-Hersteller Hino, deren Chef Deppen werden wird. Hinter der Wahl der Konzepte steht für ihn die Erkenntnis, dass unterschiedliche Technologien die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden und die jeweiligen Infrastrukturen bedienen müssen.
In Japan traut er batterieelektrischen LKW im Fernverkehr daher allenfalls ein Nischendasein zu. «Die Netzstabilität ist bereits heute eine Herausforderung, selbst für PKW», sagt Deppen. Die maximale Ladeleistung sei in Japan beispielsweise viel geringer als in Europa. «Wir sehen also Einschränkungen, die unüberwindbar sind», so der LKW-Experte. «Deshalb ist Wasserstoff für Schwerlast-LKW in Japan wahrscheinlich der bessere Weg.»
Japans Spagat zwischen den USA, China und AfrikaEine weitere Möglichkeit sind Hybridfahrzeuge bei PKW, die in Japan laut Statista.com im Jahr 2024 61 Prozent der Neuanmeldungen ausmachten. Chris Richter, Autoanalyst bei der CLSA in Tokio, ergänzt einen weiteren Grund: «Der Zollkrieg von Trump und seine Abschaffung der Elektroautoförderung verstärken diese Notwendigkeit einer Multi-Pfad-Strategie noch.»
Die USA seien nicht mehr die überragende Gewinnquelle, die sie einmal gewesen seien, so der Analyst. «Das zwingt japanische Autohersteller dazu, auf anderen Märkten aggressiver vorzugehen.» Besonders Toyota sei gefordert, den Richter als den «globalsten Autohersteller» bezeichnet. «Dort achten sie sehr darauf, sich nicht zu stark von einem einzelnen Markt abhängig zu machen.»
Für Toyota bedeutet das, mehr Elektroautos für China, Europa und selbst für südostasiatische Länder zu entwickeln. Denn chinesische Elektroautohersteller drängen in diesen Märkten rasant vor. Benziner bleiben im Angebot, denn Toyota will keinen Kunden verlassen, vor allem die in Afrika nicht.
Für diese hat der Konzern das Konzept des Mini-Lasters IMV Origin entwickelt: ein einfaches Gefährt mit einer angedeuteten Fahrerkabine aus Stahlrohren und einer flachen Ladefläche. Sie kann als Bausatz verschickt werden, den sich Kunden selbst zusammenbauen und nach ihren Wünschen mit selbstgezimmerten Aufbauten ausbauen können.

In Japan fehlt wegen des Spätstarts in die Elektroautowelt allerdings ein Produktangebot in allen Bereichen. Deutsche und europäische Importmarken sowie der chinesische Marktführer BYD sehen hier eine Chance, ihre Marktanteile in Japan auszubauen. BYD ist der einzige chinesische Hersteller mit einem massiven Auftritt. Dabei liegen alle Importmarken zusammen bei nur fünf Prozent, wenn man das grosse Japan-spezifische Segment der Mini-Autos mitrechnet, das kein ausländischer Massenhersteller beliefert.
Go Göltinger, der Chef von Mercedes-Benz Japan, erklärt: «Viele Importmarken haben bereits eine grosse Bandbreite an batterieelektrischen Autos oder aufladbaren Plug-in-Hybriden im Angebot.» Göltinger ist auch der Vorsitzende der Importeursvereinigung (Jaia). «Falls sich diese Segmente in Japan in den nächsten Jahren stark entwickeln, könnten wir Marktanteile gewinnen.» Ob die Japan Mobility Show bei den Kunden allerdings die erhoffte Elektroautowende auslöst, ist noch unklar.
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