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Gestern König, heute Krise - wie es mit Deutschlands Autoindustrie weitergeht

Gestern König, heute Krise - wie es mit Deutschlands Autoindustrie weitergeht

Die jüngsten Bilanz-Vorstellungen von VW, Porsche, Mercedes und BMW waren die reinste Horror-Show. Doch warum ist Deutschlands Vorzeige-Industrie überhaupt in der Krise und wer steht noch ganz gut da? FOCUS online erklärt, was Sache ist.

"Legendäre Motoren", "Höchste Ingenieurskunst", "Top-Qualität" - deutsche Autos genossen jahrzehntelang weltweit den besten Ruf. Seit einigen Jahren dagegen machen VW, Mercedes, Porsche oder BMW eher mit Begriffen wie "Gewinneinbruch", "Werksschließung" oder "Sparprogramm" von sich reden. Da ist es ein schwacher Trost, dass auch viele andere Autohersteller der Welt in der Krise stecken und sogar der neue Auto-Gigant China gerade einen harten Verdrängungswettkampf bei seinen Autoherstellern durchlebt. Denn kaum ein Land ist so abhängig von seiner Schlüsselindustrie wie Deutschland.

Doch was sind die Gründe für die miesen Zahlen? Für welche deutschen Hersteller sieht es besonders schlecht aus und wer kommt noch mit einem blauen Auge davon? FOCUS online erklärt, warum Deutschlands Wirtschafts-Lokomotive gerade auf dem letzten Loch pfeift.

Es lässt sich durchaus sagen, dass der Beginn des VW-Abgasskandals vor zehn Jahren ein entscheidender Moment war, ab dem es für die Autohersteller nicht mehr "rund" lief. Der jahrelang erfolgreiche Dieselmotor wurde diskreditiert und die Politik begann, sich stärker einzumischen - in Form immer härterer Regulierungen. Seitdem können die Autobauer nicht mehr nur den Fokus darauf legen, die Wünsche der Kunden zu erfüllen und die Produkte auf diese auszurichten, sondern immer mehr darauf, neue Regularien aus Brüssel zu erfüllen. Parallel dazu, das zeigt sich ganz frisch am neuen Diesel-Urteil des EuGH, ist die rechtliche Aufarbeitung des Abgasskandals immer noch nicht abgeschlossen und führt bis heute zu teuren Rückrufen, Prozessen und Rückstellungen.

Vor allem Volkswagen feierte jahrzehntelang riesige Erfolge in China, war dort sogar Marktführer mit seinen verschiedenen Joint-Ventures. Das ist längst Geschichte: Heute führt Chinas neuer Star BYD die Verkaufs-Charts an und gilt bei den in China besonders wichtigen Elektroautos als Technologieführer. China-Experten führen im Wesentlichen drei Gründe für den Misserfolg der Deutschen an:

  • Bei Elektroautos gelten Mercedes und Co. nicht mehr als tonangebend in der Technologie und versprühen nicht mehr den Hightech-Charme, den stattdessen jetzt China-Marken wie Xiaomi haben. Deutsche Autos gelten als altbacken, selbst wenn in der Realität Fahrzeuge wie der neue Mercedes CLA keineswegs schlechter, sondern eher leistungsfähiger sind als viele China-Stromer, und vermeintliche "Gamechanger" wie das Megawatt-Laden von BYD in der medialen Berichterstattung ziemlich überverkauft werden.
  • Chinas Autokäufer sind im Durchschnitt erheblich jünger als in Deutschland. Und sie greifen auch aus Nationalstolz lieber zu heimischen Fabrikaten - die dazu noch wesentlich günstiger sind. China-Experte Jochen Siebert von JSC Automotive erzählte jüngst eine aufschlussreiche Episode: Auf manchen Firmenparkplätzen in China dürften Heimat-Fabrikate weiter vorne parken, ausländische Autos nur am Rand.
  • Sowohl beim Infotainment als auch bei der extrem wichtigen Integration des Smartphones ins Auto und - das ist für Mercedes und Co. besonders bitter - bei der Verarbeitungsqualität gelten deutsche Autos in China nicht mehr als Maßstab. Seit Jahren versuchen die Deutschen, das mit eigenen Entwicklungsabteilungen und Partnern in China wieder zu drehen. Doch so schnell dürfte das nicht gelingen.

Die Transformation zu reinen Elektroauto-Herstellern entpuppt sich immer mehr als Wunschbild der Politik, das die Realitäten des Marktes nicht wirklich abbildet. Gleichzeitig belastet es die Bilanzen der Hersteller massiv:

  • Die Marktanteile von E-Fahrzeugen sind innerhalb der EU höchst uneinheitlich verteilt und weiter massiv von Kaufprämien, Steuervergünstigungen oder sonstigen Lenkungsmaßnahmen abhängig.
  • Für die Entwicklung neuer E-Modelle nebst der kompletten Umsteuerung von Produktionsprozessen und dem Aufbau neuer Lieferketten müssen VW, Audi und Co. Milliardenbeträge aufwenden.
  • Gleichzeitig bricht das traditionelle Verkaufsmodell zusammen, da Elektrofahrzeuge zumindest aktuell noch einen drastischen Wertverlust verzeichnen. Dies gilt besonders für die wichtigen Premiummodelle. "Die Umschreibungen gebrauchter Elektrofahrzeuge wachsen bei Privatkunden, allerdings auf sehr verhaltenem Niveau. Die niedrigen Restwerte entstehen wegen der großen Anzahl an elektrischen Leasingrückläufern bei den Händlern, die einer geringen Nachfrage gegenüberstehen. Durch die schnelle technische Entwicklung sind gebrauchte Stromer zudem schnell veraltet, was sie zusätzlich unattraktiv macht", sagt Michael Gerstner von Bähr & Fess Forcasts. Die Experten veröffentlichen jedes Jahr zusammen mit FOCUS online die "Restwertriesen". Dieses Problem trifft Hersteller wie Audi, BMW und Porsche, deren Geschäftsmodell auf hohen Restwerten und dem damit verbundenen guten Marken-Image basiert, bis ins Mark.

Das Verbrenner-Verbot der EU - ab 2035 sind alle Neuwagen mit Benzin-, Diesel-, Hybrid-, Plug-In-Hybrid- oder Gasantrieb verboten - zerschlägt derweil einen wichtigen Geschäftszweig der deutschen Hersteller und, noch wichtiger, ihrer vielen Zulieferer von Bosch über Continental oder ZF bis hin zu tausenden kleineren Unternehmen. Unter dem Druck der Kunden, die E-Fahrzeuge nach wie vor nur teilweise akzeptieren, mussten Porsche, Audi oder Mercedes bereits umschwenken und wieder mehr in neue Benzinmotoren investieren. Die kommen dann übrigens zum Teil ausgerechnet aus China - wie bei Mercedes -, wo neben der E-Mobilität auch weiterhin kräftig in neue Hybrid- und Verbrennertechnik investiert wird.

Wie unter anderen der Verband der Automobilindustrie (VDA) immer wieder betont, sind die hohen Energiekosten in der EU und speziell in Deutschland ein Wettbewerbsnachteil, ebenso wie die komplexe EU-Regulierung und konkrete Anforderungen wie das - zunächst erst einmal verschobene - Lieferkettengesetz. Diese Nachteile zeigen sich gerade im Unterschied zu China, aber auch zu den USA. In beiden Ländern sind z.B. die Energiekosten, aber auch die Lohnstückkosten wesentlich niedriger.

Als Reaktion auf die Krise haben alle deutschen Autohersteller harte Sparprogramme angekündigt oder schon auf den Weg gebracht. Das Problem dabei: Man sieht den Sparstift mittlerweile in den Autos. Wenn etwa das Facelift in der Mitte eines siebenjährigen Modellzyklus' dazu genutzt wird, nicht nur Verbesserungen zu implementieren, sondern auch die Zahl der Knöpfe zugunsten einer einfacheren, billigeren Touchscreen-Bedienung zu reduzieren oder mehr Hartplastik zu verbauen, bewegen sich Premiummarken wie Mercedes oder VW in riskantem Terrain. Der Eindruck, nicht mehr "Das Beste oder nichts" (lange ein berühmter Mercedes-Werbeslogan) vor sich zu haben, sondern eher das Zweitbeste, ist fatal. Erst recht dann, wenn die Autos der Konkurrenz so viel günstiger sind.

Wenn selbst ein Audi A5 (früher A4) mit Vierzylinder und guter Ausstattung schon über 80.000 Euro kostet und das Basismodell des Porsche 911 bei über 130.000 Euro startet, wird das Preisniveau selbst für gut betuchte Kunden und Firmenwagen-Nutzer zu hoch. Dieses Problem haben alle deutschen Hersteller bis hinunter zu VW. Sogar ein Polo kostet mittlerweile fast 20.000 Euro.

So heftig es gerade für Deutschlands Vorzeige-Industrie auch kommt - manche Marke steht dann doch etwas besser da als andere. Ein kurzer Überblick.

  • Porsche - die Hütte brennt: Gewinneinbruch im 2. Quartal 2025: 71 Prozent! Die Zuffenhausener Kultmarke war lange die krisensichere Cash-Cow des Volkswagen-Konzerns, doch die Transformation der Branche trifft sie besonders hart. Nach anfänglichen Erfolgen ist der Elektro-Renner Taycan vor allem wegen seines enormen Wertverlustes kein Quell der Freude mehr für Hersteller und Händler. Der Macan, nur noch als Elektro-Version zu haben, verkauft sich zwar ganz gut, aber damit lassen sich weder die Gewinnspanne noch die Verkaufszahlen des Macan mit Benzinmotor erzielen. Der herbe Absatz- und Umsatzeinbruch in China schmerzt Porsche extrem. Neue Chancen ergeben sich womöglich in den USA.
  • Mercedes - roter Alarm: Gewinneinbruch 56 Prozent. Der mittlerweile durch Geely auch aus Peking kontrollierte Hersteller hat mit seiner Strategie, nur noch Elektroautos und nur noch für das Luxussegment bauen zu wollen, bislang keine großen Erfolge erzielt. Der neue CLA immerhin, sowohl als E-Mobil als auch als Verbrenner zu haben, erhält gute Kritiken und kann bereits viele Vorbestellungen verzeichnen.
  • Audi - im Auge des Sturms: Gewinneinbruch im 2. Quartal: 37,5 Prozent! Der angestrebte Wechsel von den jahrelang beliebten und wertstabilen Diesel- und Benziner-SUVs, Limousinen und Kombis zur reinen Elektromarke ging nicht nur mit einem deutlichen Preisanstieg einher; offenbar machen ihn viele Kunden auch noch nicht mit. Die Absatzeinbrüche in China tun den Ingolstädtern richtig weh, lange Verzögerungen bei neuen Modellen ließen Händler ratlos zurück. Dazu kommt, dass Audi vom Zoll-Hammer aus den USA enorm betroffen ist, weil die VW-Tochter dort kein eigenes Werk hat. Hoffnung macht unter anderem der neue Q3, der auf der IAA vorgestellt wird.
  • Volkswagen - in schwerer See: Gewinneinbruch: 36,3 Prozent. Als quasi halbstaatlicher Betrieb ist VW traditionell besonders behäbig. Die Transformation zur Elektromarke wird dem Konzern noch viel Kraft abverlangen und man wird dabei wohl viele Kunden an Konkurrenten verlieren - an Hyundai, Kia oder sogar an Dacia; oder an chinesische Marken, die noch günstige Verbrenner anbieten. Die neuen ID-Modelle von VW laufen immerhin recht gut. Doch die Sparmaßnahmen machen sich bemerkbar und der politische Druck auf den VW-Vorstand, keine großen Werke in Deutschland zu schließen, verhindert ganz harte, aber womöglich notwendige Maßnahmen.
  • BMW - Alarmstufe Gelb: Gewinneinbruch: 32 Prozent. Ähnlich wie Skoda hat BMW seit Jahren der Versuchung widerstanden, den kompletten Konzern auf "Elektro Only" auszurichten. Dieser Kurs der Technologieoffenheit wird von Kunden und Aktionären gut angenommen. Das dürfte den Münchnern gerade jetzt Vorteile verschaffen, da die USA, als wichtiger BMW-Markt, dem Verbrenner-Verbot gerade eine klare Absage erteilt haben. Von den Zöllen ist BMW mit seiner recht großen US-Produktion, die jetzt weiter ausgebaut werden soll, nur zum Teil betroffen. Das Elektro-Projekt Neue Klasse allerdings, in das die Münchner Milliarden gepumpt haben, steht unter enormem Erfolgsdruck und muss erst noch zeigen, dass es auch auf dem wichtigen (Elektro-)Markt China funktioniert.
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