EU hat abgestimmt: Das sind die neuen EU-Führerscheinregeln

Um die Führerscheinvorgaben für alle Bürgerinnen und Bürger in der EU zu vereinheitlichen, werden die bestehenden Regeln modernisiert. Frühere Vorschläge wie ein Nachtfahrverbot für Fahranfänger, ein spezieller SUV-Führerschein oder verpflichtende Gesundheitsprüfungen für ältere Fahrer wurden gestrichen. Stattdessen können die Mitgliedstaaten weiterhin selbst entscheiden, ob bei der Ersterteilung oder Verlängerung eine ärztliche Untersuchung oder eine Selbstauskunft zur Gesundheit erforderlich ist. Die Kommission kann künftig ergänzende Vorschriften zu bestimmten Erkrankungen wie Schlafapnoe oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorsehen. Ziel ist, Diskriminierung zu vermeiden und die Verkehrssicherheit dennoch zu erhöhen.
Pkw- und Motorradführerscheine sind künftig 15 Jahre gültig, Lkw- und Busführerscheine fünf Jahre. Die Mitgliedstaaten dürfen die Gültigkeit auf zehn Jahre verkürzen, wenn der Führerschein gleichzeitig als Ausweisdokument genutzt wird. Eine Verkürzung speziell für ältere Fahrerinnen und Fahrer ist nicht vorgesehen; die Länder können jedoch freiwillig häufigere Gesundheits-Checks oder Auffrischungskurse anbieten. Neu ist zudem eine Krisenregelung, wonach die Gültigkeit bei außergewöhnlichen Umständen wie einer Pandemie vorübergehend verlängert werden darf.
Die Fahrprüfung wird stärker an reale Verkehrssituationen angepasst. Künftig gehören der Umgang mit Smartphones, das Fahren bei schwierigen Wetterbedingungen, die Einschätzung des toten Winkels und der Umgang mit Fahrerassistenzsystemen zu den verbindlichen Lerninhalten. Neu ist auch die Pflicht, Risiken für Fußgänger, Kinder, Radfahrer und andere besonders gefährdete Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen. Bei der medizinischen Eignung können Mitgliedstaaten die Pflichtuntersuchung für Pkw- oder Motorradfahrer durch Selbstauskunftsformulare ersetzen. Damit bleibt mehr nationale Flexibilität erhalten.
Die Klasse B wird erweitert. Künftig dürfen Inhaberinnen und Inhaber unter bestimmten Bedingungen Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 4.250 Kilogramm führen. Nach einer zusätzlichen Schulung oder Prüfung sind sogar bis zu 5.000 Kilogramm möglich, wenn es sich um Fahrzeuge mit alternativem Antrieb handelt, deren Mehrgewicht auf Batterie- oder Tanktechnik zurückzuführen ist. Die Ausnahmeregelung gilt zudem für bestimmte Wohnmobile sowie Rettungs- und Einsatzfahrzeuge, sofern sie bauartbedingt schwerer als 3.500 Kilogramm sind.
Voraussetzung ist, dass der Führerschein der Klasse B seit mindestens zwei Jahren besteht und eine von der jeweiligen nationalen Behörde anerkannte Zusatzschulung oder praktische Prüfung absolviert wurde. Diese umfasst das Fahren mit erhöhter Fahrzeugmasse, den längeren Bremsweg, das Kurvenverhalten und Besonderheiten alternativer Antriebe wie Rekuperation oder Batterielastverteilung. Der Nachweis wird als Schlüsselzahl im Führerschein vermerkt. Ohne diesen Eintrag bleibt die Grenze bei 3.500 Kilogramm.
Für den Sonderfall bis 5.000 Kilogramm gelten strengere Bedingungen. Die Ausnahme betrifft ausschließlich Fahrzeuge mit alternativem Antrieb und nur, wenn die höhere Masse technisch durch die Antriebssysteme bedingt ist. Die Fahrzeuge müssen weiterhin als Pkw klassifiziert sein und dürfen nicht gewerblich für Gütertransporte genutzt werden. Außerdem darf die Gesamtmasse des Zuges – also Fahrzeug und Anhänger – 5.000 Kilogramm nicht überschreiten. Auch hier ist eine Schulung oder Prüfung verpflichtend, und die Mitgliedstaaten müssen die Regelung aktiv in nationales Recht übernehmen. Die Ausnahme gilt nur dort, wo sie ausdrücklich zugelassen wurde. Damit bleibt sie zunächst auf jene Länder beschränkt, die sie in nationales Recht umsetzen.
Die EU führt eine neue, optionale Klasse Bl für schwere Leichtfahrzeuge ein. Sie gilt für Fahrzeuge mit bis zu 600 Kilogramm Leergewicht und einer Leistung bis 15 Kilowatt. Mitgliedstaaten können diese Klasse übernehmen oder sie innerhalb der bestehenden Klasse B abbilden. Damit erhalten elektrische Kleinfahrzeuge und sogenannte Microcars erstmals eine europaweit einheitliche Einstufung.
Erstmals wird auf EU-Ebene eine zweijährige Probezeit eingeführt. Sie gilt für alle Fahranfänger und kann von den Mitgliedstaaten auf zusätzliche Fahrzeugklassen ausgeweitet werden. Während dieser Zeit gelten strengere Regeln und Sanktionen bei Alkohol, Drogen oder Verstößen gegen die Gurtpflicht. Eine einheitliche Promillegrenze schreibt die Richtlinie nicht vor; sie empfiehlt jedoch ein Null-Promille-Prinzip. Wer eine neue Klasse erwirbt, beginnt erneut eine Probezeit. Zudem dürfen 17-Jährige künftig einen Führerschein der Klasse B erwerben, müssen aber bis zum 18. Geburtstag mit einer erfahrenen Begleitperson fahren. Das begleitete Fahren gilt künftig in der gesamten EU – auch bei Urlaubsfahrten in anderen Mitgliedstaaten.
Der digitale Führerschein wird künftig in der gesamten EU als offizielles Dokument anerkannt und dem physischen Führerschein gleichgestellt. Er ist über die EU-Digitale Identität abrufbar und enthält dieselben Angaben wie die Karte. Die Mitgliedstaaten müssen den digitalen Führerschein innerhalb von 54 Monaten nach Erlass der Umsetzungsakte verfügbar machen – spätestens also bis 2030. Jeder Bürger hat weiterhin Anspruch auf eine physische Karte, die innerhalb von drei Wochen ausgestellt werden muss. Auf der Karte wird ein QR-Code zur Authentifizierung angebracht, alternativ oder zusätzlich kann ein Mikrochip verwendet werden. Eine zentrale EU-Datenbank wird nicht geschaffen, die Datenspeicherung bleibt in nationaler Verantwortung. Beide Formate sind rechtlich gleichwertig.
Zur Bekämpfung des Fahrermangels werden die Altersgrenzen abgesenkt. 18-Jährige dürfen künftig Lkw der Klasse C fahren, sofern sie über eine Berufskraftfahrer-Qualifikation verfügen. Für Busse der Klasse D gilt grundsätzlich ein Mindestalter von 21 Jahren, das bei Ausbildung oder begleitetem Fahren unterschritten werden kann. Das begleitete Fahren wird EU-weit harmonisiert und kann künftig auch auf Lkw-Klassen wie C1 und C ausgeweitet werden. Das Parlament betont, dass die neuen Regeln Berufseinsteigern den Zugang zum Transportgewerbe erleichtern und freiwillige Einsatzkräfte wie Feuerwehrleute oder Sanitäter besserstellen sollen.
Fahrer mit der Erweiterung B-196 sollen künftig auch in anderen EU-Ländern Leichtkrafträder bis 125 Kubikzentimeter führen dürfen. Eine automatische EU-weite Anerkennung ist noch nicht festgeschrieben, soll aber durch bilaterale Vereinbarungen der Mitgliedstaaten ermöglicht werden.
Neu geregelt ist die gegenseitige Anerkennung von Fahrverboten. Wer im Ausland wegen eines schweren Verkehrsdelikts auffällig wird – etwa bei Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, bei Unfällen mit Todesfolge oder beim Rasen mit mehr als 50 Kilometern pro Stunde über dem Tempolimit –, kann künftig EU-weit gesperrt werden. Das Land, in dem der Verstoß begangen wurde, übermittelt die Entscheidung an den Ausstellungsstaat, der das Fahrverbot anschließend EU-weit durchsetzt. Die Idee eines europäischen Punktesystems wurde dagegen verworfen.
Die Novelle ist Teil des EU-Verkehrssicherheitsrahmens 2021 bis 2030 mit dem Ziel der "Vision Zero" – keine Verkehrstoten bis 2050. Bis 2030 sollen Todesfälle und Schwerverletzungen im Straßenverkehr mindestens halbiert werden. Laut EU-Kommission kamen 2023 rund 20.400 Menschen ums Leben, 2024 sank die Zahl auf 19.940. Um das Zwischenziel zu erreichen, wäre ein Rückgang von jährlich mindestens 4,5 Prozent nötig.
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